Das Referendariat ist überflüssig

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Lukas1981
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Lukas1981 »

@m_schnabel und phaon:

Ja, das deckt sich sehr mit meinen Erfahrungen.

In meinem Seminar (Gym Bayern) ging es zuvorderst darum, auch an den Einsatzschulen, die Referendare bis zum Anschlag einzusetzen, um billige Arbeitskräfte zu haben. Gleichzeitig mussten so viele wie möglich so schnell wie möglich ausgesondert werden, wozu das Mittel der Wahl Dauerkritik (auch gerne ohne Niveau & didaktischen Hintergrund) und Dauerbeobachtung war. Gerne wurde auch von den Seminarlehrern hinterrücks oder "verdeckt öffentlich" im Lehrerzimmer über die Seminarteilnehmer mal ordentlich vom Leder gezogen.

Ich kann auch die letzten Erkenntnisse von phaon im Nachhinein vollends bestätigen.

Die tote, tendenziell gegeneinander hetzende und aggressive Stimmung in den Lehrerzimmern war auf die Dauer mehr als schwierig. Hinzu kamen die zum Teil haarsträubenden persönlichen Dramen und das Referendare einfach als "lästige Störung" empfunden und behandelt wurden. Schon einmal rein aus Platzgründen.

An meiner Seminarschule herrschte eine Art Dauerbeziehungsstress bzw. -frust:

Eine Lehrerin war in der Vergangenheit mit einer Referendarin eine Beziehung eingegangen und hatte gleichzeitig aus Eifersucht weitere Referendarinnen verbal attackiert. Der aktuelle Stand war, dass sie nun im Kollegium - zu recht - einen schweren Stand hatte und von Schülern regelmäßig attackiert wurde, weshalb sie nur mehr im Kommandoton mit ihnen kommunizierte.

Mein Seminarlehrer war mit einer Frau verheiratet, die früher seine Referendarin an derselben Schule war - und nun seine Kollegin. Sie betonten aber immer, zusammengefunden hätten sie erst nach dem Referendariat (...). "Legendär" waren aber immer "geselligen Runden" an der Schule (für das Kollegium und Referendare) in dieser Hinsicht...

Der Kunstseminarlehrer war während meines Referendariats mit einer seiner Referendarinnen zusammen. Sie trafen sich in öffentlichen Cafés und knutschten und tauschten Tipps und schulinterna aus. Das ich ihnen dort ein paar Mal begegnete (ich war zwar kein Kunstreferendar, kannte aber beide aus dem Lerherzimmer) war ihnen scheinbar egal.

Die Sozialarbeiterin sähte gerne Zwietracht und Streit im Kollegium. Viele litten unter ihrer Taktik, zu einzelnen Kollegen zu gehen und sie mit Gerüchten über sie zu konfrontieren und deshalb ohne Möglichkeit der eigenen Schilderung zu "beraten" (=maßregeln). Besonders perfide wurde sie gegenüber einem Kollegen von mir, der in das Fettnäpchen trat, eine Lehrerin in einer zwanglosen Runde zu fragen, ob sie hetero- oder homosexuell sei. Den Inhalt des Gesprächs kenne ich nicht genau, beobachten konnte ich dann aber, wie ihn die "beste Freundin" der Lehrerin, die Sozialarbeiterin, plötzlich regelmäßig unfair zu attackieren begann. Ich konnte mir zunächst nicht erklären warum - erst jetzt dämmern mir schön langsam die möglichen Zusammenhänge.

Meine Seminarlehrerin war zunächst gekennzeichnet vom Hass auf ihren Ex-Mann und ihren vielen Fehlschlägen beim Online-Dating. Sie erzählte uns das gerne und ausführlich. Außerdem wollte sie nie Lehrerin werden, musste es aber wegen ihrer Eltern, wie sie berichtete Sie wurde früher von Schülern oft richtiggehend gemobbt und erzählte uns das dauernd. Ihr Tonfall Referendaren gegenüber war schlussendlich auch nicht viel anders.

Der Seminarleiter, der Direktor, schritt wenig ein. Er wurde vom Kollegium mehr oder weniger als inaktiv und als zu sehr an gutaussehenden Schülerinnen/Referendarinnen abgelehnt und mehr an "geselligen Runden" interessiert wahrgenommen. Es gab im Lehrerzimmer regelmäßig Sekt oder Wein. Der Tipp meiner Seminarlehrerin immer war: die Referendarinnen sollten ein schönes Kleid zur Lehrprobe anziehen, dann ist er schon mal besser gestimmt.

Im Nachhinein könnte man daraus ein Drehbuch für eine (schwarze) Komödie schreiben! So viel zum Thema: Das Referendariat ist immer ernst zu nehmen und immer ein gute Ausbildung mit guten Ausbildern. Ich finde es schade, wenn berechtigte Kritik so unfair verdammt wird.

Im Nachhinein erscheint mir meine Seminarschule als geschlossenes, "vergiftetes" System. Abgesehen von den Referendaren, durch die größtenteils der Lehrermangel gedeckt werden konnte, kamen auch kaum Kollegen hinzu. Immer wieder ließen sich im Gegenteil Leute wegversetzen. Meine Seminarschule war halt die, die den ersten und tiefsten Eindruck von "hinter den Kulissen" hinterlassen hat - das liegt in der Natur der Sache und lässt sich auch nicht rückgängig machen.

Katta
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Katta »

Lukas1981 hat geschrieben:So viel zum Thema: Das Referendariat ist immer ernst zu nehmen und immer ein gute Ausbildung mit guten Ausbildern. Ich finde es schade, wenn berechtigte Kritik so unfair verdammt wird.
Das sagen doch auch die wenigsten, dass es IMMER gut ist.
Das Problem ist aus meiner Sicht, dass viele, die so extrem negativ berichten, ihre Erfahrung eben als allgemeingültig darstellen ("das System" will aussortieren, "die" Fachleiter sind korrupt, nur die "schleimenden Referendare" kommen durch usw.) und alle, die es nicht so extrem empfunden haben, als "angepasste Duckmäuser", die "das System" perpetuieren, also aus meiner Sicht jegliche andere Perspektive zu der ihrigen als falsch, weil "Teil des Systems", abkanzeln und somit eine multiperspektivische Diskussion gar nicht erst möglich wird.

Ja, im Ref läuft definitiv nicht alles glatt und es gibt unter Lehrern und Fachleitern Flachpfeifen. Die gibt es aber auch unter den Referendaren.

Und deine Seminarschule klingt ja mal echt nach ganz großem Kino... (und ja, dass es so komische Schulen gibt, glaube ich durchaus - aber so sind definitiv nicht alle)

Lukas1981
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Lukas1981 »

[quote="Katta"

Und deine Seminarschule klingt ja mal echt nach ganz großem Kino... (und ja, dass es so komische Schulen gibt, glaube ich durchaus - aber so sind definitiv nicht alle)[/quote]

Ja, ganz großes Kino war sie im Nachhinein wirklich.

Ja, ich verstehe deinen Einwand jetzt. Dass Problem ist, wenn die verschiedenen Perspektiven so weit auseinanderklaffen, und wenn die "Inhaber" der verschiedenen Perspektiven dann sich gegenseitig "ihre" Perspektive abspenstig machen wollen, weil sie es als Angriff und Entwertung ihrer eigenen Erfahrung/Perspektive sehen.

Ein zutiefst menschliches Problem :)

Das Problem bei Leuten mit den Extremerfahrungen wie meiner ist wahrscheinlich, dass sie schon so viel an widersprüchlichen und damit nicht erklärbaren Umständen/Aussagen, destruktiver Kritik, Emotion und Entwertung ihrer Meinung und Person an der Schule ertragen mussten, dass sie "Schule" und "Referendariat" aufgrund der Überbelastung nur mehr schwer rational erfassen / einordnen /diskutieren können - zumindest für eine gewisse Zeit.

Zeltan
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Zeltan »

Das ist eine ziemlich harte Aussage vom Threadersteller...

Als Referendar habe ich auch immer wieder Momente, an denen ich den Sinn und Zweck des Refs anzweifele, aber immer wieder wird einem vor Augen geführt wozu das Ref denn da ist.
Im Ref soll man lernen Unterricht aus dem Ärmel zu schütten ohne sich selbst zu überlasten!

Als Lehrer plant man Unterricht nicht mehr allzu intensiv, da stehen dann oft andere Dinge im Vordergrund. Stellt euch nun vor, ihr müsstet all diese anderen Dinge neben dem erlernen der Unterrichtsplanung auch noch erledigen. Das wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Im Ref wird man in dieser Hinsicht entlastet. Die Last im Ref liegt eher darin unter Druck optimalen Unterricht zu planen und zahlreiche Aufgaben für das Seminar nebenbei zu erledigen.
Bringt man das Ref hinter sich, so sollte man zumindest das Handwerk der Unterrichtsplanung so gut beherrschen, dass man nicht mehr groß darüber nachdenkt was man als nächstes tut und wie man ein bestimmtes Thema mit den Schülern aufarbeitet.

m_schnabel
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Registriert: 19.11.2016, 0:19:13

Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von m_schnabel »

Ja, meine Aussage ist hart.

Das Referendariat wäre sinnvoll, wenn es sich um eine echte (!) Ausbildung handeln würde.
Ausbildung heißt: Schrittweise neues Wissen aufbauen, Fehler machen, aus Fehlern lernen.

Das Referendariat heißt: Fast nichts beigebracht kriegen, 120% fordern und rumnörgeln, wenn nur 50% beim ersten Unterrichtsversuch herauskommen. Dann den Referendaren in eine Schublade einsortieren, von der er kaum mehr rauskommen kann.

Katta
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Katta »

m_schnabel hat geschrieben:Ja, meine Aussage ist hart.

Das Referendariat wäre sinnvoll, wenn es sich um eine echte (!) Ausbildung handeln würde.
Ausbildung heißt: Schrittweise neues Wissen aufbauen, Fehler machen, aus Fehlern lernen.

Das Referendariat heißt: Fast nichts beigebracht kriegen, 120% fordern und rumnörgeln, wenn nur 50% beim ersten Unterrichtsversuch herauskommen. Dann den Referendaren in eine Schublade einsortieren, von der er kaum mehr rauskommen kann.
So KANN das Referendariat aussehen, wenn man Pech hat.
So sieht es aber nicht automatisch überall aus.
Können wir vielleicht einfach mal diese generalisierenden Aussagen lassen, dann könnte man auch einen echten Dialog darüber führen, was fehlt, was (vor allem) wie verbessert werden müsste (ich persönlich sehe das verkürzte Referendariat in NRW z.B. extrem kritisch, die müssen wahnsinnig schnell alleine Unterricht wuppen ohne Rückmeldung, da schleichen sich dann natürlich deutlich eher Fehler ein, die man entweder gar nicht (rechtzeitig) bemerkt und bei denen es i.d.R. schwerer ist, sich dann wieder umzustellen).

Jméno
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Re: Das Referendariat ist überflüssig

Beitrag von Jméno »

Katta hat geschrieben:Können wir vielleicht einfach mal diese generalisierenden Aussagen lassen, dann könnte man auch einen echten Dialog darüber führen […]
Ich habe zunehmend den Eindruck, dass das überhaupt nicht Ziel solcher Beiträge ist. Es geht nicht um einen echten Dialog, es geht nicht um ausgewogene Darstellung der Fakten und die Einordnung der eigenen Erfahrungen. Es geht darum, die eigenen Befindlichkeiten als alleingültige Wahrheit zu präsentieren. Das nennt man dann wohl „postfaktisch“.
…он је метафора, начин живота, угао гледања на ствари!

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