Gefühlschaos im Ref.

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
dreistein
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von dreistein »

Lisalu89 hat geschrieben:Ich neige dazu, mir sehr viele Gedanken zu machen. (...) Dann zerbreche ich mir oft ewig den Kopf (...) Liege manchmal nachts wach und denke darüber nach. (...) Das deprimiert mich so, da ich perfekt vorbereitet sein möchte. Das frisst jedoch viel Zeit und sorgt dafür, dass ich oft nicht mehr als vier Stunden schlafe. Gegen Ende der Ferien und jeden Sonntag geht's mir meistens schlecht. Ich bekomme leicht Panik und freue mich gar nicht auf die Schule.
Das sind typische Zeichen einer leichten Depression. Als Perfektionist hat man es im Lehrerberuf besonders schwer: Man kämpft an zu vielen Fronten und kann an jeder einzelnen dieser Fronten keine perfekte Arbeit leisten, geschweige denn an allen zugleich. Sieh es als positive Zeichen, dass du anscheinend nach Einschätzung deines Schulleiters, deiner Kollegen und deiner Ausbilder für den Lehrerberuf geeignet bist und deine Sache gut machst. Darauf kannst du dir etwas einbilden! Löse dich von der Vorstellung, alles perfekt machen zu können, bei der Bewertung von Schülerleistungen etwa: Die Noten sind doch sowieso nicht objektiv. Wo du eine schwache 2 gibst, würde ein Kollege vielleicht eine 3 vergeben und umgekehrt. Die Schüler kennen das schon, die meckern ja nicht umsonst über angeblich oder tatsächlich "unfaire" Notenvergabe. Aber hey, das Leben ist eben nicht fair.

Wo du definitiv aufpassen musst, sind Punkte wie "ich schlafe oft nicht mehr als vier Stunden". Das geht nicht, das wird dich mittelfristig kaputtmachen, das musst du ändern. Ich mache das so: Laut Beamtengesetz soll ich 40 Stunden in der Woche arbeiten. Das versuche ich auch in der Schulzeit einzuhalten, d. h. ich addiere jeden Tag die (Netto-)Unterrichtszeit, die Aufsichten, die Konferenzen und Elterngespräche etc. und zwinge mich, mit meiner Unterrichtsvorbereitung in der Zeit fertig zu sein, die dann noch übrigbleibt. (Korrekturen gehen allerdings extra.) Wenn ich auf ein Thema richtig Lust habe, dann stecke ich (gewissermaßen als "Hobby") durchaus noch mehr Zeit rein, aber nicht in Sachen, die mich nerven und die ich als "stressig" empfinde. Das hat zur Folge, dass manche Unterrichtsstunde auch mal in zehn Minuten vorbereitet sein muss, aber das ist nicht unrealistisch, sofern man nicht ein absoluter Berufsanfänger ist, der jedes Thema zum ersten Mal unterrichtet. Auf diese Weise bleibt mir soviel Freizeit, wie der durchschnittliche Angestellte (der irgendwann "Feierabend" hat) auch hat, und insbesondere bleibt mir Zeit für die Familie, für Sport und für Aktivitäten mit Freunden. Darunter leidet der Perfektionist in mir (immer noch), aber hey, ich habe noch ca. 40 Berufsjahre vor mir und will nicht mit Burnout in der Psychiatrie oder in der Dienstunfähigkeit enden. Damit ist nämlich auch keinem geholfen.

kecks
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von kecks »

was katta sagt.

zudem erfahrungswert: alle wirklich problematischen refs in richtung durchfallen waren in meinem arbeitsumfeld in den letzten jahren leute, die die kritik null verstanden und sich so gut wie gar ncht selbst reflektierten/mal einen tipp geben ließen.

du klingst genau umgekehrt, eher zuviel reflexion als zu wenig. also ja, vermutlich bist du ein fähiger ref. das wird schon, ein paar wachstumsschmerzen sind normal.

Lisalu89
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von Lisalu89 »

.r.
Zuletzt geändert von Lisalu89 am 04.11.2016, 23:58:27, insgesamt 1-mal geändert.

Lisalu89
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von Lisalu89 »

@dreistein

Obwohl mir ständig gesagt wird, ich solle auch mal abschalten, komme ich bei meiner Rechnung noch nicht mal auf 40 Stunden die Woche.
Unterrichte 9 Stunden (60 Min) plus zwei Stunden Hospitation und sitze im Durchschnitt nochmal 4 Stunden täglich an den Vorbereitungen.
Seminar sind nochmal 6 Stunden. Bin jeden Tag um frühestens 15 Uhr zu Hause. An zwei Tagen die Woche habe ich um 13 Uhr Schluss und bleibe bis 19/20 Uhr in der schule... (Mit Pausen)

krabappel
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von krabappel »

kecks hat geschrieben:doch, genau das kann man da sagen: "das ist jetzt nicht unser thema." alternativ: "wenn du das gerade so spannend findest, dann informierst du bitte in der folgenden stunde alle in einem kurzreferat darüber. vergiss das handout nicht!" .
Hätte genau dasselbe gesagt :- D Ist doch super, wenn einer so interessiert ist, was lenkt er aber ständig vom Unterricht ab, um dir auf die Nerven zu gehen?

Ich habe den Eindruck, als ob du zu wenig deine Grenzen achtest, zu sehr damit beschäftigt bist, was andere über dich denken. Findet der Schulleiter mich gut? Was sagen die Mitreferendare zu mir? Oh Gott, Schüler xy hat eine Wissenslücke entdeckt, wie peinlich!!! ist das peinlich! was kann ich nur alles tun, damit das nächste Mal keine Frage kommt, die ich nicht beantworten kann? wie peinlich! Wie kann ich alles, alles, alles lernen- weil: könnte ja auch jemand nach dem australischen Umweltminister fragen, oder wie das Wetter in Peru ist! Und wenn der mit der 3plus jetzt seine Anwälte anruft, weil er eigentlich eine 2minus meint verdient zu haben, was dann?!

Versuche selber, deine Arbeit wieder objektiver zu sehen. Es gibt klar umrissene Aufgaben. Natürlich vertut man sich mal mit der Bewertung, dann kostets halt mehr Zeit, ist normal am Anfang. Das nächste Mal überlegst du dir die Bewertungskriterien vorher und dann ist das, was du sagst Gesetz. 3 ist 3 und 2 ist 2, niemand kann hinterher das irgendwie beurteilen, außer dir. Du hast nämlich die Kriterien festgelegt und kannst sie für dich oder jeden anderen begründen. No doubt, du bist der Lehrer!

Dasselbe gilt für alle anderen Bereiche.
-> Vorbereitung: Unterrichtsziel, Unterrichtsverlauf, Punkt. Nicht alle Politiker nachschlagen, die jemals gelebt haben. Mach z.B. Karteikarten mit dem, was dir besonders wichtig ist, bleib am roten Faden.
-> Schulleiterkritik: sachliche Infos aufnehmen, verarbeiten, umsetzen, Punkt. Ob er dich "als Referendar super" findet, ist belanglos und unkonkret. Wichtig sind inhaltliche, sachliche Rückmeldungen. Prima, wenn ihr miteinander auskommt, alles andere emotionale mal ein bisschen zurückschrauben.
-> nervige Schüler: gib Bälle immer zurück. Maximilian/ Anastasia, du störst/ du sprichst rein/ du hältst morgen ein Referat/ für diesen Beitrag erhältst du eine 5, er war mangelhaft/ für diesen erhältst du eine 1, er war sehr gut/ das ist richtig/ das stimmt so nicht/ wir sprechen nach dem Unterricht...

Ihr sollt natürlich auch Spaß haben! Aber versuche, gerade in Klassen, denen du nicht vertraust, die Schüler zu sehen und zu spiegeln, nicht dich selbst.

Lisalu89
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von Lisalu89 »

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Zuletzt geändert von Lisalu89 am 04.11.2016, 23:59:07, insgesamt 1-mal geändert.

Illi-Noize
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Re: Gefühlschaos im Ref.

Beitrag von Illi-Noize »

Lisalu89 hat geschrieben: Von einem leisen flüstern fühle ich mich teilweise gestört, obwohl eine Zurexhtweisung meinerseits viel störender wäre; als ein leises kurzes Gespräch zwischen zwei Schülern zu tolerieren.
Mit ein wenig Routine reicht da dann später im Idealfall ein Blick oder bei mir ein kurzes Fingerschnippsen, und die beiden Kandidaten sind ruhig.

Ich finde aber, dass das eine schwierige Situation ist, es soll ja auch vorkommen, dass sie sich über den aktuellen Stoff unterhalten und nur eine kurze Verständnisfrage mit den Nachbarn klären wollen ... das lasse ich dann laufen, wenn ich es checke ;-)

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