Abbruch des Refs Ende Oktober

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Jméno
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von Jméno »

Kann man schon, Fränzy, aber ändert das was? Klar, „Trainee“ klingt netter, ist aber doch unterm Strich dasselbe: Jemand, der mit nichts als theoretischem Wissen in die Arbeitswelt kommt und dort von der Pike auf Praxiswissen ansammeln muss. Letztlich steht beides für „bei Null anfangen“ – und das ist ja auch überhaupt nicht schlimm!

Erstens ist natürlich die „Null“ etwas Individuelles. Manche Referendare haben vielleicht schon in der Oberstufe entweder so transparenten oder so guten Unterricht genossen, dass ihnen typische Unterrichtsstrukturen bekannt sind, andere konnten sich derlei Dinge vielleicht selbst analytisch erschließen. Manche Referendare haben Talent für didaktische Reduktionen, für Menschenführung, für glückende Kommunikationsstrukturen, für geniale Tafelbilder, für… – und andere müssen sich eines, mehrere oder alle Aspekte guten Unterrichts aneignen. Einigen fällt einiges leicht, das ist schön; anderes fällt anderen schwieriger, das ist dann eben schwierig. – Talente und eventuelles individuelles Vorwissen (das aber in den meisten Fällen eher Ahnung als Wissen ist) ändern aber nichts an der Tatsache, dass man im Referendariat einer völlig anderen Situation gegenübersteht als in einem Uni-Seminar. Deswegen Anfänger. Und daran ist nichts Schlimmes.
…он је метафора, начин живота, угао гледања на ствари!

Fränzy
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von Fränzy »

Sehe ich auch so. Ein Trainee hat im Gegensatz zum Azubi in der Regel ein Studium hinter sich. Da liegt der unterschied
שָׁלוֹם

philliboy
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von philliboy »

Naja, wie man den Berufsanfänger jetzt bezeichnet, ob Trainee, Volontär usw. ist relativ egal. Der Vergleich mit Azubis (die i.d.R. nach dem Schulabschluss mit 16-20 Jahren anfangen) hinkt meiner Meinung nach. Von keinem Konditorlehrling erwartet man, dass er nach einem Monat schon eine vierstöckige Hochzeitstorte backt oder dass der Tischlerlehring in der gleichen Zeit schon seinen ersten Schrank komplett alleine schreinert.
Aber sei's drum. Ich erwarte eben einfach nur, dass ich wie ein erwachsener Berufseinsteiger behandelt werde und nicht wie der letzte Depp, den man zwangsweise "ein bisschen anlernen" muss, weil er eben nun mal da ist.

Als ich den ersten Beitrag verfasst habe, war ich auch etwas in Rage, daher gebe ich euch mal ein Update zu meinen Möglichkeiten:

- Bis zu den Herbstferien gibt's überwiegend (soliden) Frontalunterricht. Keine Lernstationen, aufwändigen Gruppenarbeiten usw., die insgesamt nur mehr Aufwand machen als dass man damit bessere Lernerfolge erzielt.
- Ich vermerke gute Unterrichtsbeiträge. Wenn Schüler über einen längeren Zeitpunkt immer wieder gut mitmachen, vergebe ich Mitarbeitsnoten im Bereich 1-3. Negatives notiere ich nur. Um schlechtere Noten kann sich dann mein Nachfolger kümmern.
- Blaumachen: Naja, doch keine gute Idee. Machen schon genug "Kollegen", bei manchen ist es echt auffällig.
- Meinung geigen: Wenn ich mit der Schulleitung noch ein Gespräch führen sollte, kann ich - auf konstruktive Weise - auf Dinge hinweisen, die besser hätten laufen können. Z.B. Dass meine "Betreuungslehrer" weitgehend nicht betreuuen (obwohl ich sie mehrmals auf ihre Aufgaben hingewiesen habe, was ziemlich ignoriert wurde), oder manchmal überhaupt kein Feedback geben.

Als Fazit kann ich nur sagen: Die Schüler sind für mich nicht das große Problem. Die Art der "Ausbildung" ist es. Daher will ich schon aus Gewissensgründen kein Lehrer hier mehr werden.
Mag sein, dass meine Erfahrungen nicht repräsentativ sind. Ich bezweifle allerdings auch, dass 90% aller Referendare eine gute Ausbildung bekommen...

Phaon
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von Phaon »

Das klingt doch nach einem guten Plan. Was mich noch interessieren würde, wäre die Frage, in welchem Bereich du denn ab November arbeiten wirst. Man liest hier ja immer wieder, dass es so schwierig sei, Alternativen zum Lehrerberuf zu finden. Nun, bei dir scheint das ja geklappt zu haben.

Ich finde es übrigens interessant, dass du als hauptsächlichen Abbruchsgrund die Art der Ausbildung anführst. Heißt das, die restlichen Rahmenbedingungen des Lehrerberufs sind für dich akzeptabel?

In meinem Falle ist es jedenfalls so, dass die Ausbildungsbedingungen objektiv gesehen nahezu miserabel sind, mit über 80 Kilometern Entfernung zum Studienseminar, einer schlechten Schule, deren Schülerzahl für die fünfte Klasse sich innerhalb von zwei Jahren halbiert hat, einer überforderten Schulleitung ohne Erfahrung, einem Mentor, der zwei Korrekturfächer mit vollem Deputat unterrichtet, folglich keine Zeit für mich hat und diesen Job ebenfalls zum ersten Mal macht (natürlich, ohne die dafür angebotenen Seminare besucht zu haben, weil ja die Distanz zum Studienseminar zu groß ist).

Allerdings würde mir das alles nichts ausmachen, wenn ich wirklich Lehrer werden wollte. Ich würde diese Rahmenbedingungen akzeptieren und versuchen, das beste daraus zu machen. Was für mich den Lehrerjob aber unausübbar macht, sind die allgemeinen Arbeitsbedingungen. Ich habe einfach keine Lust, mein Dasein damit zu fristen, Unterricht für den undankbaren und unmotivierten Nachwuchs anderer Leute vorzubereiten, in meinem zum Materiallager umfunktionierten Apartment an meinem Schreibtisch, wo ich sämtliche "Arbeitsgeräte" von meinem eigenen Geld bezahlen muss, über Stromkosten, Kosten für Laptop, Drucker, Unterrichtsmaterialien bis hin zum Kugelschreiber und den Tonnen an Fachliteratur, die meinen Wohnraum blockieren. Und das alles natürlich ohne geregelte Arbeitszeiten, ohne Recht auf ein freies Wochenende oder einen Feierabend, bei Arbeitszeiten von über 50 Stunden, wenn man die Ferien mit einrechnet.

Und sich dann jeden Morgen in dasselbe stickige Lehrerzimmer zu setzen, sich durch marodierende Klassen das Gehör zerstören lassen, sich mit den ewigen Problemchen pubertierender Jugendlicher auseinandersetzen, bis man mit 50 wie der Großteil aller anderen Kollegen aufgrund von Dienstunfähigkeit ausscheidet und realisiert, dass man sein Leben verwirkt hat.

Nein, ich begrüße den Selektionsmechanismus Referendariat sogar, weil er mir - besser spät als nie - die Augen über die Natur dieses Berufs geöffnet hat. Der nicht mehr allzu entfernt liegende Tag, an dem ich endlich den Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der 2. Staatsprüfung in der Hand halte, wird daher ein Tag der Erleichterung sein. Ich kann mir das im Moment noch gar nicht richtig vorstellen... endlich die Gewissheit darüber zu haben, niemals mehr eine Schule von innen sehen zu müssen...

Ich beneide dich, philliboy. Mach das beste draus!

dreistein
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von dreistein »

Phaon hat geschrieben:Ich habe einfach keine Lust, mein Dasein damit zu fristen, Unterricht für den undankbaren und unmotivierten Nachwuchs anderer Leute vorzubereiten, in meinem zum Materiallager umfunktionierten Apartment an meinem Schreibtisch, wo ich sämtliche "Arbeitsgeräte" von meinem eigenen Geld bezahlen muss, über Stromkosten, Kosten für Laptop, Drucker, Unterrichtsmaterialien bis hin zum Kugelschreiber und den Tonnen an Fachliteratur, die meinen Wohnraum blockieren. Und das alles natürlich ohne geregelte Arbeitszeiten, ohne Recht auf ein freies Wochenende oder einen Feierabend, bei Arbeitszeiten von über 50 Stunden, wenn man die Ferien mit einrechnet.
Du zeichnest den Beruf in einem übertrieben schlechten Licht:

* Ob z. B. Schüler unmotiviert und undankbar sind, hängt nach meiner Erfahrung auch vom Lehrer ab. Es ist jedenfalls nicht ihr Naturzustand.

* Unterrichtsmaterialien, die du unbedingt brauchst, sollte dir der Schulträger stellen. Computer und Drucker stehen Lehrern i. d. R. auch in der Schule zur Verfügung. Wenn du mit der dortigen technischen Ausstattung nicht zufrieden bist, steht es dir frei, auf eigene Kosten anzuschaffen, was du für nötig hältst. Die Kosten kannst du sogar steuerlich absetzen, was eine Rückerstattung von ca. 25 % bedeutet.

* Selbstverständlich hast du als Lehrer "geregelte Arbeitszeiten", nach dem jeweils geltenden Landesbeamtengesetz nämlich ca. 40 Stunden pro Woche mit 30 Urlaubstagen im Jahr. Die gerade in Niedersachsen vorgestellte Lehrerarbeitszeitstudie zeigt, dass Gymnasiallehrer mit durchschnittlich ca. 43 Stunden pro Woche "über Soll" arbeiten, aber das hält sich meiner Meinung nach im Rahmen. Lehrer an allen anderen Schularten arbeiten übrigens weniger.

* Feierabend und freie Wochenenden kannst du dir legen, wie du willst. An manchen Tagen komme ich nach dem Unterricht gegen 12 Uhr nach Hause und arbeite dann auch nicht mehr, an anderen Tagen habe ich 8 Stunden Unterricht und sitze danach mit kleinen Pausen bis Mitternacht am Schreibtisch, je nachdem, wie ich Lust darauf habe. In anderen Berufen hast du diese Freiheit nicht.
Phaon hat geschrieben:Und sich dann jeden Morgen in dasselbe stickige Lehrerzimmer zu setzen, sich durch marodierende Klassen das Gehör zerstören lassen, sich mit den ewigen Problemchen pubertierender Jugendlicher auseinandersetzen, bis man mit 50 wie der Großteil aller anderen Kollegen aufgrund von Dienstunfähigkeit ausscheidet und realisiert, dass man sein Leben verwirkt hat.
Schon mal davon gehört, dass man Lehrer wird, weil man gerne mit Kindern und Jugendlichen arbeitet? Du klingst wie jemand, der nach dem Lehramtsstudium völlig überrascht war, als er festgestellt hat, dass man als Lehrer mit Kindern zu tun hat. Ist mir völlig unverständlich, wie kann man denn so naiv sein? Übrigens: Das mittlere Pensionierungsalter bei Lehrern lag 2011 bei 62,9 Jahren (aktuelle Zahlen habe ich auf die Schnelle nicht gefunden), d. h., die wenigsten – und nicht etwa "der Großteil" – scheiden mit 50 Jahren aus dem Dienst aus.

Phaon
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von Phaon »

Keine Ahnung, wie es in anderen Bundesländern oder an anderen Schulen ist, in meinem Fall kann ich jedoch sagen, dass ich leider keinerlei Materialien vom Schulträger gestellt bekomme. An meiner Schule gibt es einen "Arbeitsraum" mit vier alten, virenverseuchten PCs ohne Möglichkeit, Daten dauerhaft auf der Festplatte zu speichern. Ich hatte mir sogar kürzlich an einem dieser PCs einen Virus eingefangen, wodurch meine E-Mail-Adresse gehackt wurde. Es stehen zwei mehr schlecht als recht funktionierende Schwarz-Weiß-Drucker zur Verfügung. Die Unmöglichkeit, an diesen Druckern Dokumente auszudrucken, wurde mir heute wieder bestätigt. Ich bin also darauf angewiesen, den Großteil der Arbeit zu Hause mit meinen eigenen Geräten zu erledigen. Die steuerliche Rückerstattung ist ein Witz, zumal der Höchstbetrag bei mir schon durch die enorm hohen Fahrtkosten gedeckt ist.

In Bezug auf die Lehrerarbeitszeit hier ein paar Daten aus offiziellen Dokumenten des Studienseminars, die mir vorliegen:

Hübner / Werle (1997) stellen fest, dass Lehrer an Gymnasien im Durchschnitt 50,9 Stunden pro Unterrichtswoche arbeiten. Durch die veränderten Rahmenbedingungen der letzten Jahre (Inklusion, Vergleichsarbeiten, etc...) dürfte sich dieser Wert noch erhöht haben. Bei Lehrern mit zwei Korrekturfächern dürfte diese Zahl dann auch eher in Richtung 55 Stunden tendieren. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit in Deutschland beträgt 48 Stunden pro Woche. Der Lehrerberuf ist also im Grund ungesetzlich, zumindest 38 von 52 Wochen im Jahr. In den restlichen Wochen bekommt der Lehrer die verlorene Lebenszeit dann als unhandlichen Batzen am Stück ausgehändigt. Die angeblich so freie Zeiteinteilung im Lehrerberuf bringt auch nichts, wenn man im Endeffekt trotzdem deutlich mehr arbeiten muss als andere Arbeitnehmer. In Bezug auf das Referendariat komme ich dann auch auf einen Stundenlohn, der unter dem gesetzlichen Mindestlohn von 8,50€ liegt.

Für mich war das Lehramtsstudium nur eine Notlösung. Ich wollte meine Fächer studieren und mit dem Lehramt evtl. noch eine weitere Option im Vergleich zu den Master- / Magisterabsolventen in der Hinterhand haben. Das Referendariat war dann eher ein Experiment. Ich hätte nicht gedacht, dass der Kontakt zu den Schülern als Lehrer so "intensiv" ist, sondern habe mir immer ein förmlich-distanziertes Verhältnis zu den Schülern ausgemalt. Natürlich war ich da auch sehr naiv in Bezug auf die Art der Arbeit als Lehrer. Ich kann mittlerweile jedenfalls behaupten, diesen Beruf abgrundtief zu hassen. Es ist auch kein Beruf, den man einfach nebenher ohne Motivation absitzt.

Zu der psychischen und gesundheitlichen Belastung von Lehrern ist zunächst einmal die Schaarschmidt-Studie (2007) aussagekräftig: 59% der Lehrer weisen ein Risikomuster auf, was der höchste Wert im Vergleich zu anderen stark belasteten Berufsgruppen wie Polizei, Feuerwehr, Pflegepersonal, Existenzgründer, Personal im Strafvollzug ist.

Auf die Schnelle habe ich noch folgende Zahlen gefunden:

http://www.derwesten.de/wp/region/sauer ... 00157.html

"Nur 38 Prozent der Lehrer in NRW erreichen bei der Pensionierung die Regelaltersgrenze von 65 Jahren. 2010 schieden 22,9 Prozent der Lehrer wegen Dienstunfähigkeit aus – häufige Gründe waren psychische und psychosomatische Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen und Burnout."

Lesenswert finde ich auch folgenden Artikel zur gesundheitlichen Belastung von Lehrern:

http://www.heinrichdauber.de/index.php?id=10

Illi-Noize
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Re: Abbruch des Refs Ende Oktober

Beitrag von Illi-Noize »

Wobei ich durchaus den einen oder anderen Kollegen kenne, der an diesem "Crash" im hohen Alter selber schuld ist. Übertriebener Perfektionismus, wenn freiwillige Leute für irgendwas gesucht werden melden sie sich als erste usw.

Ich behaupte, dass man diese Belastungen auch ganz gut dosieren kann, ohne ein grottenlos schlechter Lehrer zu sein.

Zu Eurer technischen Ausstattung: Klingt fast so, als ob sich da niemand drum kümmert. Ist zwar jetzt ein Widerspruch zu meiner Einleitung ... aber da müssten sich halt ein paar Leute finden (Technik AG, Servermanager was weiß ich), die die ganze Sache in die Hand nehmen, dann findet man auch ratz-fatz ein Budget, das für solche Anschaffungen vorhanden ist. Ich kann z. B. sämtliche Drucker der Schule umgehen, wenn ich meine Materialien als PDF speichere und dann per Stick direkt "im" Kopierer ausdrucke. Alles eine Frage der Organisation ;-)

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