Sehr schwerer Start...

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Murchja
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Sehr schwerer Start...

Beitrag von Murchja »

Hallo ihr Lieben,

ich werde am 01.08. mein einjähriges Ref beginnen - und würde jetzt schon am liebsten wieder zurück treten! :(

Grund dafür sind mehrere Umstände, die mir den Start äußerst unangenehm machen. Zum einen wurde ich weit weg von meinem Wohnort, wo ich eine gemeinsame Wohnung mit meinem Freund hatte, in ein kleines, über eine Stunde Autofahrt entferntes, Dorf gesteckt. Ich muss also aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen und gehe wieder zu meinen Eltern - die aber immer noch 35min Autofahrt entfernt von der Schule wohnen, ich bin also immer noch ziemlich lang unterwegs.
Ich packe grade Umzugskartons und heule dabei, ich habe mir so gewünscht hier bleiben zu können, bei meinem Liebsten und mit meinen Uni-Freunden zusammen das Seminar besuchen zu können...das ist jetzt fast 1.5h Stunden entfernt in einer anderen Stadt.

Am schlimmsten finde ich aber meine zugeteilte Schule. Von "Dorfschule" keine Rede, sie ist riesig mit brechvollen Klassen, meist 28-30 Kinder, da alle Dörfer rundherum keine GS haben. Ich habe 3 Mentorinnen, von denen 2 bei meinem ersten Besuch durchblicken lassen haben, dass sie nicht wirklich Lust auf ihre Aufgabe haben. Und ich soll mich in der Schule "schon mal auf was gefasst machen"! Auch vom Kollegium wurde ich eher kühl begrüßt, einzig die Schulleiterin war nett zu mir.

Das alles lässt mich sehr durchängen grade - ich wusste, dass das Ref kein Spaziergang wird, aber so schlimm habe ich mir den Anfang nicht vorgestellt. Ich weiß nicht, wie ich mich motivieren soll. Alle anderen freuen sich auf ihren ersten Schultag, ich würde am liebsten gar nicht hingehen...

Drops
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Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von Drops »

Ich kann Deinen Frust ein Stück weit verstehen, da es mir anfangs ähnlich ging, doch schauen wir einfach mal auf die Fakten:

- Du wirst 12 Monate nicht mit Deinem Freund zusammenleben. Das ist nicht das Ende der Welt. Ich musste damals für 24 Monate aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen und mein Ref-Platz war wesentlich weiter weg als Deiner. Wir haben es überlebt und das werdet ihr auch, wenn es eine stabile Beziehung ist.

- Wieso bist Du nicht näher an den Schulort gezogen als 35 Autominuten entfernt? Ging das nicht? Das würde Dir jetzt schon einige Probleme lösen.

- Noch mal: Es sind nur 12 Monate! Du wirst sowohl Deine Liebsten als auch Deine Uni-Freunde wiedersehen, Du ziehst ja nicht nach Nowosibirsk!

- 30 Kinder in einer Klasse sind bei uns die Regel. Es gibt eben solche und solche Schulen. Auch das ist nicht das Ende der Welt! Unter Umständen wirst Du unter den Bedingungen viel selbstständiger als unter angeblich traumhaften Bedingungen.

- Natürlich sollten Dir die Mentoren eine Stütze sein, doch Du bist nicht mit ihnen verheiratet. Es ist ihre Dienstpflicht, Dich anzuleiten und auszubilden und gewiss werden sie das auch tun, egal ob sie Lust drauf haben oder nicht.

Nur Mut! Es wird alles nicht so heiß gegessen wie es gekocht wird!
Auch wenn es Dir kein Trost ist, doch dass man fürs Ref umziehen muss und das für wesentlich länger als nur 12 Monate (von denen 12 Wochen Ferien sind, nimmt man die nächsten Sommerferien dazu), passiert halt. Man kann sich jetzt grämen und alles grässlich finden oder halt da einfach durch. Ich würde das Letztere empfehlen, denn dann machst Du es Dir wesentlich leichter.

Plattypus
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Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von Plattypus »

Moin,

ich kenne das Problem. Mich haben sie auch damals für 2 Jahre ca. 150km weit weg quer durchs Bundesland verschickt. Bei meinem ersten Besuch an der Schule, ich war noch nicht vereidigt, meinte die Schulleiterin, sie könne es mir ansehen, daß ich es nicht schaffen werde und ob ich nicht gleich die Stelle absagen wolle.

Ich war auch erst ein paar Tage am Boden zerstört, aber dann schlug es um: "Was glaubt die Frau wer sie ist? Meint die etwa, daß sie alles mit dir (ich rede mich dann Mental selber mit "du" an) machen kann? Jetzt erst Recht! Du hast schon ganz andere Sachen geschafft, da kriegt die dich auch nicht klein! Soll sie dich rauswerfen, freiwillig gehst du nicht, nicht einen Millimeter!"

Und ja, so habe ich dann die 2 Jahre durchgestanden. :mrgreen:

Nenn es "Mut der Verzweiflung", "persönliche Kampfansage auf Ehre und Gewissen", "den Fehdehandschuh hingeworfen" oder wie auch immer...

Also: Steh auf und mach die fertig, die Dir Knüppel zwischen die Beine werfen wollen. Feigheit gilt nicht. :!:

Revisor
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Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von Revisor »

Eine Stunde kann man pendeln, auch 35' ist nicht lang. Der Regress, der mit dem Wiedereinzug ins elterliche Domizil einhergeht, ist die emotionale Schieflage (Trennung) nicht wert. Hörbücher helfen.
Die Klassengrößen sind normal. Völlig normal. Kriegt man leicht in den Griff.
Mentoren bekommen in der Regel keine nennenswerte Entlastung. Warum sollten sie heiß drauf sein, stundenlange Extraarbeit zu leisten? Das Neugeborene, die Scheidung, die Renovierung ist i.d.R. wichtiger als Schulisches und warum auch nicht? Dennoch: Das bedeutet keine persönliche Ablehnung oder fehlende Hilfsbereitschaft dir gegenüber.
Dass das Kollegium scheinbar zunächst kühl ist, hat nichts zu bedeuten. Siehe oben.
Dass du dich "auf was gefasst" machen musst: Übliche Lehrerzimmer Folklore. Klappern gehört zum Handwerk. Im übrigen: Hanlon's Razor.

Fazit: Völlig normaler Start ins Ref. Viel Erfolg, es ist eine schöne Zeit, wenn man sich die Wehleidigkeit abgewöhnt.

dreistein
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Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von dreistein »

Murchja hat geschrieben:ich werde am 01.08. mein einjähriges Ref beginnen - und würde jetzt schon am liebsten wieder zurück treten! :(
Das steht dir frei. Du kannst jederzeit um Entlassung aus dem Dienst bitten, formlose Mitteilung an den Vorgesetzten genügt; als Referendarin kannst du davon ausgehen, dass deinem Wunsch kurzfristig entsprochen wird.
Murchja hat geschrieben: Grund dafür sind mehrere Umstände, die mir den Start äußerst unangenehm machen. Zum einen wurde ich weit weg von meinem Wohnort, wo ich eine gemeinsame Wohnung mit meinem Freund hatte, in ein kleines, über eine Stunde Autofahrt entferntes, Dorf gesteckt. Ich muss also aus unserer gemeinsamen Wohnung ausziehen und gehe wieder zu meinen Eltern - die aber immer noch 35min Autofahrt entfernt von der Schule wohnen, ich bin also immer noch ziemlich lang unterwegs.
Die durchschnittliche Fahrtdauer von Pendlern in Deutschland beträgt sogar 45 Minuten, das ist also weder außergewöhnlich noch unzumutbar.
Murchja hat geschrieben:mit brechvollen Klassen, meist 28-30 Kinder
Auch das ist normal. Klassen mit deutlich weniger Schülern wirst du nur an Schulen vorfinden, die aufgrund von Bevölkerungsschwund von Schließung bedroht sind.
Murchja hat geschrieben:Das alles lässt mich sehr durchängen grade - ich wusste, dass das Ref kein Spaziergang wird, aber so schlimm habe ich mir den Anfang nicht vorgestellt.
Du erscheinst, um das Wort meines Vorredners aufzugreifen, außergewöhnlich wehleidig bis depressiv. Das Referendariat hält durchaus außergewöhnliche Belastungssituationen bereit – Umzüge, Pendeln und normal große Klassen gehören eindeutig nicht dazu.
Murchja hat geschrieben:Alle anderen freuen sich auf ihren ersten Schultag, ich würde am liebsten gar nicht hingehen...
Wie ich schon sagte, das musst du ja nicht. Der Lehrerberuf ist nur für Menschen geeignet, die das auch wirklich wollen. Alle anderen landen nach spätestens 10 Jahren mit Erschöpfungsdepression in der Klinik.

Growl
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Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von Growl »

Ich sehe es leider ähnlich... ein bisschen Mobilität muß man schon mitbringen. Ich habe mich mental auch schon darauf eingestellt: aus der Wohnung meiner Freundin ausziehen, Hobbys aufgeben und mir ne neue soziale Umgebung aufbauen und nur am Wochenende in der Heimat sein. Ist das nicht normal?
Später wirst du sehr wahrscheinlich auch nicht an der Schule nebenan unterrichten. Da musst du dir wohl möglicherweise wieder was Neues aufbauen. Dein Freund muss dann mitziehen oder du verzichtest erstmal auf den Job oder ihr führt ne Wochenendbeziehung, bis einer ne Versetzung durch hat. Mehr Möglichkeiten hast du nicht.

Ich bilde mir das Worst-Case-Szenario als Realität ein und freue mich riesig, wenn es dann noch nicht so kommt! Damit fahre ich bezüglich meiner Pschyopflege ganz gut!!
NRW GYM D/L/kR

kecks
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Registriert: 01.04.2009, 6:09:18

Re: Sehr schwerer Start...

Beitrag von kecks »

ich kann deine emotionen sehr gut nachvollziehen. aber:

alles wird gut! wenn nicht jetzt, dann später.

jetzt kannst du entweder jammern und leiden und alles furchtbar finden, also weiter "mimimi" machen, oder dich zusammenreißen und ackern und beißen und ganz viel lernen. an sowas wächst man ungemein, als mensch, aber auch als angehende lehrerin.

die wahl liegt bei dir. entscheide dich und zieh durch!

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