"Faule" Referendare

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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krabappel
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von krabappel »

Schöne, schlüssige, intelligente Ausführung, Stark. Hier fehlt mal wieder ein "like-Button"!

Für die kleinen Schüler gilt dasselbe: wenn ich sehe, auf welche Weise mancher Kollege mit unseren Lernschwachen den Zahlenraum bis 20 zu erschließen sucht, frag ich mich, warum eigentlich fast 5 Jahre die Uni besucht wurde.
Stark hat geschrieben: Die schlechte Vorbereitung der Lehrkräfte als Grund anzuführen, warum Hospitationen überflüssig sind, zeigt ganz deutlich, dass der Ref nicht wirklich verstanden hat, worum es geht.
Das ist das gleiche Phänomen wie bei den Studenten, die sich immer beklagen, dass sie das, was sie an der Uni lernen "an der Schule sowieso nicht brauchen können". Die haben auch nichts begriffen.
Das vermute ich auch. Das gilt auch noch Jahre später z.B. für Fortbildungen "wir sind doch mit allen Wassern gewaschen/tsts die da oben in ihrem Elfenbeiturm/ haben wir eh schon alles gewusst", anstatt sich mit einer Information mal ernsthaft auseinanderzusetzen.
Oder Personalratsfragen "ach, ich bin doch kein Jurist/ kein' Bock auf den ganzen Rechtskram/ das war schon immer so", wo jegliche Entscheidung in der Schule auf Rechtsgrundlagen beruht und es grundsätzlich ist, zu wissen, wer wann was und wie abstimmen darf.

Ich persönlich liebe auch die Stunde mit unserem Schulsozialarbeiter, dem ich immer wieder etwas "abgucken" kann. Schließlich schwimmt man im eigenen Saft, weil man immer hinter verschlossenen Türen sein eigenes Dings macht. Jeder Lehrer hat seine Stärken, von denen man beim intelligenten Zuschauen profitieren kann. Hospitation rules ;- )

Phaon
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Phaon »

Lieber Stark,

ich denke, dein Standpunkt ist für mich jetzt besser nachzuvollziehen, obwohl dein letzter Beitrag neue Fragen aufwirft:

1.) Wieso sind der Erwerb von Fachwissen und der Erwerb der Fähigkeit zur didaktischen Reduktion (mitsamt der Erprobung am "lebenden Objekt") desselben Wissens räumlich und zeitlich voneinander getrennt, wenn sie doch - wie du so schön aufzeigst - unmittelbar zusammengehören?

2.) Die inhaltlichen Beispiele, die du nennst, befinden sich auf dem Niveau von Einführungsveranstaltungen an der Universität. Dass man die Merkmale von Epochen im Oberstufenunterricht mal gebrauchen kann oder es gut ist, bei Grammatikeinheiten in der 5. Klasse linguistische Grundbegriffe zu kennen, bestreite ich gar nicht. Was mache ich aber mit den restlichen 95% des Studiums? Ein Beispiel: ich habe mich in Anglistik ziemlich lange mit den Romanen George Eliots beschäftigt und ein tiefgreifendes Verständnis davon erhalten, wie Modernisierungsprozesse im ländlichen England des 19. Jahrhunderts literarisch verarbeitet werden. Ich fand es sehr interessant und es hat mich als Mensch bereichert und weiter gebracht. Aber was soll ich damit bitte an der Schule - meinetwegen auch in der 12. Klasse eines Gymnasiums - anfangen?

3.) Gehen wir einmal von einem optimalen Fall aus, bei dem die Vermittlung von Inhalten und die didaktische Reduktion dieser Inhalte vorbildlich miteinander verknüpft sind und die Lehramtsanwärter verlässliche Methoden zur Unterrichtsvorbereitung an die Hand bekämen. Auch in diesem Fall könnte man alleine durch die Ausbildungsinhalte nicht garantieren, dass gute Lehrer ausgebildet werden. Denn: ein Großteil der Fähigkeiten und Kompetenzen, die ein Lehrer braucht, werden in der Ausbildung nicht vermittelt. Dazu zählen sämtliche pädagogischen und erzieherischen Fähigkeiten, die Interaktion mit Eltern, Auftreten, Ausstrahlung, Stimmführung (kurz: die Persönlichkeit), Classroom Management, aber auch Eigenschaften wie Stressresistenz, Arbeitsorganisation, Zeitmanagement oder Lautstärketoleranz (ich durfte letzte Woche feststellen, dass ich diesen Beruf schon alleine nicht ausüben kann, weil er mir zu laut ist). Ich behaupte, dass all diese Eigenschaften mindestens ebenso wichtig sind wie die Unterrichtsvorbereitung an sich, und trotzdem wird man weder im Studium, noch im Referendariat wirklich darauf vorbereitet (Bzw.: als Endzwanziger kann man seine Persönlichkeit nicht mehr von einem Tag auf den anderen umprogrammieren, alle Maßnahmen kämen also zu spät).

Die Lehrerausbildung in Deutschland ist einfach insgesamt katastrophal schlecht (oder habt ihr schon einmal von einem Selbsthilfe-Forum für Bäckerei-Azubis gehört?).

Ich kann allerdings gut nachvollziehen, dass diejenigen, die sich mit dem System arrangiert haben und nun ein gut verdienender, auf Lebenszeit verbeamteter Teil von ihm sind, auf jegliche Form von Kritik allergisch reagieren. Das ist ein natürlicher Selbstschutz, den ich in dieser Form nur noch bei religiösen Menschen erlebt habe... (Vielleicht besteht da ja auch ein Zusammenhang... Immerhin wird man ja auch auf die Existenz imaginärer Wesen vereidigt...).

Grüße und einen schönen Samstagabend.

Skeet1414
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Skeet1414 »

Phaon hat geschrieben:Lieber Stark,

3.) Gehen wir einmal von einem optimalen Fall aus, bei dem die Vermittlung von Inhalten und die didaktische Reduktion dieser Inhalte vorbildlich miteinander verknüpft sind und die Lehramtsanwärter verlässliche Methoden zur Unterrichtsvorbereitung an die Hand bekämen. Auch in diesem Fall könnte man alleine durch die Ausbildungsinhalte nicht garantieren, dass gute Lehrer ausgebildet werden. Denn: ein Großteil der Fähigkeiten und Kompetenzen, die ein Lehrer braucht, werden in der Ausbildung nicht vermittelt. Dazu zählen sämtliche pädagogischen und erzieherischen Fähigkeiten, die Interaktion mit Eltern, Auftreten, Ausstrahlung, Stimmführung (kurz: die Persönlichkeit), Classroom Management, aber auch Eigenschaften wie Stressresistenz, Arbeitsorganisation, Zeitmanagement oder Lautstärketoleranz (ich durfte letzte Woche feststellen, dass ich diesen Beruf schon alleine nicht ausüben kann, weil er mir zu laut ist).
Ich habe diese Kompetenzen im Ref fast durchweg erworben und behaupte, dass dies - zumindest potentiell - ein jeder Ref tut. Wie du selbst schon bemerkt hast: bei Refs handelt es sich um Erwachsene. Folglich ist es erwachsenen Refs durchaus zuzumuten, auch etwas Eigeninitiative zu zeigen. Ich z.B. war während des Refs Ko-Klassenlehrer und habe somit wertvolle Einblicke in die Elternarbeit gewonnen. Frage: Hat man dich während des Refs in einen Schrank gesperrt und nicht mehr hinausgelassen? Oder wieso denkst du, dass man diese Kompetenzen im Ref nicht erwirbt? Ich brauche hier ein paar belastbare Beispiele; mit solchen Pauschalisierungen kann ich nichts anfangen.
Phaon hat geschrieben: Die Lehrerausbildung in Deutschland ist einfach insgesamt katastrophal schlecht (oder habt ihr schon einmal von einem Selbsthilfe-Forum für Bäckerei-Azubis gehört?).
Solch pauschale Aussagen sagen mehr über den Verfasser aus, als über die Materie. Ich persönlich halte die Lehrerausbildung insgesamt für recht gut, wenngleich hier und da sicherlich ein Optimierungsbedarf besteht.
Abgesehen davon: Es gibt über 700.000 Lehrer in Deutschland, entsprechend auch sehr viele LAAs, die sich im Netz austauschen. Ferner unterstelle ich den LAAs, die ja alle ein Universitätsstudium hinter sich haben, mehr Eloquenz als dem Durchschnittsazubi bei Kamps oder Oebel.
Zuletzt geändert von Skeet1414 am 27.02.2016, 20:06:24, insgesamt 4-mal geändert.

Skeet1414
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Skeet1414 »

Phaon hat geschrieben: Ich kann allerdings gut nachvollziehen, dass diejenigen, die sich mit dem System arrangiert haben und nun ein gut verdienender, auf Lebenszeit verbeamteter Teil von ihm sind, auf jegliche Form von Kritik allergisch reagieren. Das ist ein natürlicher Selbstschutz, den ich in dieser Form nur noch bei religiösen Menschen erlebt habe... (Vielleicht besteht da ja auch ein Zusammenhang... Immerhin wird man ja auch auf die Existenz imaginärer Wesen vereidigt...).
Ebenfalls gut kann ich nachvollziehen, dass Menschen, die in/an diesem System gescheitert sind, der Materie von Grund auf kritisch gegenüber stehen. Vielleicht solltest du auch deinen eigenen Selbstschutz bedenken, der offensichtlich dafür sorgt, hier solch unreflektierte Einseitigkeiten von dir zu geben.

Phaon
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Phaon »

Hallo Skeet1414,

ich will den Thread nicht zweckentfremden, denn eigentlich soll es ja um "faule Referendare" gehen. Daher ist dies erst einmal mein letzter Beitrag zu der allgemeinen Diskussion

Vielleicht hast du ja Recht und ich pauschalisiere zu sehr. Ich kann natürlich nichts darüber aussagen, inwiefern du diese Kompetenzen im Referendariat erworben hast. Es ist nur fair, zu sagen, dass ich sie jedenfalls nicht erwerben konnte. Und da du ja so sehr auf dem Argument der Eigeninitiative beharrst, schließe ich daraus, dass du dir insgeheim darüber bewusst bist, dass du dir vieles selbst erarbeiten musstest, ohne jegliche Unterstützung. Im Gegensatz zu deinem Seminar gab es bei uns leider keine Veranstaltung, die sich damit beschäftigt, wie man die Lautstärke eines Schulgebäudes (ich spreche nicht von ausflippenden Klassen, es geht um die ganz normale "Betriebslautstärke") ertragen kann.

Dass die Lehrerausbildung in Deutschland miserabel ist, ist leider kein subjektiver Eindruck, sondern eine Tatsache, die immer wieder durch Studien belegt wird.

Aber in der Fantasiewelt eines Staatsdieners, der seiner Meinungsfreiheit beraubt wurde und ein marodes System eidesgemäß verteidigen muss, sind solche Tatsachen eben "unreflektierte Einseitigkeiten".

Skeet1414
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Skeet1414 »

Phaon hat geschrieben:Hallo Skeet1414,

ich will den Thread nicht zweckentfremden, denn eigentlich soll es ja um "faule Referendare" gehen. Daher ist dies erst einmal mein letzter Beitrag zu der allgemeinen Diskussion

Vielleicht hast du ja Recht und ich pauschalisiere zu sehr. Ich kann natürlich nichts darüber aussagen, inwiefern du diese Kompetenzen im Referendariat erworben hast. Es ist nur fair, zu sagen, dass ich sie jedenfalls nicht erwerben konnte. Und da du ja so sehr auf dem Argument der Eigeninitiative beharrst, schließe ich daraus, dass du dir insgeheim darüber bewusst bist, dass du dir vieles selbst erarbeiten musstest, ohne jegliche Unterstützung. Im Gegensatz zu deinem Seminar gab es bei uns leider keine Veranstaltung, die sich damit beschäftigt, wie man die Lautstärke eines Schulgebäudes (ich spreche nicht von ausflippenden Klassen, es geht um die ganz normale "Betriebslautstärke") ertragen kann.

Dass die Lehrerausbildung in Deutschland miserabel ist, ist leider kein subjektiver Eindruck, sondern eine Tatsache, die immer wieder durch Studien belegt wird.

Aber in der Fantasiewelt eines Staatsdieners, der seiner Meinungsfreiheit beraubt wurde und ein marodes System eidesgemäß verteidigen muss, sind solche Tatsachen eben "unreflektierte Einseitigkeiten".
Ich finde dies, sorry, lächerlich. Vorbereitung auf die Geräuschkulisse? Was erwartest du? Yoga-Kurse mit der Seminarleitung?

Schön für dich, dass du Welt-Online als seriöse Quelle begreifst (anscheinend doch nicht mehr - wurde von dir entfernt).

Abschließend: Ich habe eine Meinung und tue diese hier auch kund. Anderen die (nicht erreichbare) Objektivität abzusprechen, gepaart mit der Herabwürdigung des Berufsstandes per se, qualifizieren dich nicht gerade als ernstzunehmenden Gesprächspartner.

Phaon
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Re: "Faule" Referendare

Beitrag von Phaon »

Du hast doch eben behauptet, die Lautstärketoleranz als Kompetenz im Vorbereitungsdienst erworben zu haben?!

Habe den Link mal entfernt, da es dort um Lehrer-Bildung und nicht um Ausbildung ging. Die Ergebnisse des Hochschulbildungsreports 2020 findet man überall im Netz, u. A. hier:

http://www.huffingtonpost.de/2014/06/11 ... 84878.html

Einen Berufsstand, der sich in seinem Eid auf die Existenz der Gottheit eines alten Hirtenvolkes berufen muss und die menschenverachtende Lehre der zugehörigen Religion unschuldigen Kindern und Jugendlichen auferlegt, brauche ich nicht mehr herabzuwürdigen... er würdigt sich bereits selbst herab.

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