Abbrechen.. und dann?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Maximer
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von Maximer »

Basti91 hat geschrieben:.... aber nachdem es mich im ersten Abschnitt bei sieben Stunden die Woche einfach schon vollkommen zerlegt hat und ich Tipps zum effizienteren, vl. auch etwas weniger perfektionistischem Arbeiten einfach nicht umsetzen konnte, was mit starken Konzentrationsproblemen, Schlaflosigkeit und zunehmend depressiven Zuständen, verschiedenen körperlichen Symptomen etc. etc. einhergegangen und mehr oder weniger bis zur Arbeitsunfähigkeit gegangen ist, konnte ich mir ausrechnen, dass die Verdoppelung der Stundenzahlen ein Problem werden würde...
Wahrscheinlich erzähle ich dir da nix Neues, aber es geht nicht auf, dass du in allen eigenständigen Stunden (also in dem Fall 7 bei dir) jeweils potentielle Prüfungsstunden zeigst. Das ist natürlich völlig unmöglich, wenn du nicht gerade Eltern hast, die selbst Lehrer sind und dir die fertigen Stunden zuschustern...solls ja alles geben...

Auch im Alltag als Lehrer ist vor allem Leben mit Lücke (ohne, dass es jemand merkt und ohne, dass es Schaden verursacht) angesagt. Arbeitseffizienz ist eine Qualität, die leider im Referendariat gar nicht gelehrt wird. Da wird im Gegenteil der Perfektionismus der Leute auf die Spitze getrieben. Zeige dann die aufwändigen Stunden (Showstunden), wenn jemand zuschaut, der für deine Ausbildung wichtig ist. Die anderen Stunden würde ich entweder zur Vorbereitung (Methoden üben, inhaltliche Grundlagen schaffen, Lehrer-Schüler-Beziehung aufbauen/festigen) nutzen und nicht dazu, eine Konzeptstunde nach der anderen abzuleiern. Kann mir auch nicht vorstellen, dass das den SuS auf Dauer gefällt. Bei solchen Showstunden muss ja sowieso eigentlich Prüfungsatmosphäre herrschen, damit sie richtig funktionieren können. Im Alltag würden dir diese didaktisch überladenen Szenarien in der Regel um die Ohren fliegen. Da hat kein Schüler Bock drauf, die wollen dich als Person authentisch als Lehrer erleben und nicht deine didaktischen Zaubertricks bestaunen.

Vielleicht hilft es dir also, wenn du dir klarmachst, dass wahre Perfektion (die willst du ja erreichen) nicht darin liegt, die "perfekte Stunde" jedes Mal aufs Neue vom Stapel zu lassen, sondern die alltäglichen Situationen wahrzunehmen und mit deinen SuS gemeinsam den Unterricht zu erleben. Bei künstlichen Stunden bleib dazu kein Raum, die sind nicht alltagsfähig und deshalb alles andere als "perfekt" im Sinne einer wirklich guten Stunde.

Setze dir klare Grenzen bei normalen Stunden. Ich versuche z.B. nie länger als 20-30 Minuten pro 45 Minuten vorzubereiten. Bei meinen 25 Wochenstunden sind das immerhin schon 10-12 Zeitstunden Vorbereitung, hinzu kommt noch jede Menge Orga-Kram, Elternarbeit, Schulevents etc., so dass ich ohne Weiteres auf 35-40 Stunden pro Woche komme und zu Korrekturzeiten noch mal locker 10 oben drauf, wenn ganze Wochenenden draufgehen für Klassensätze/Zweitkorrekturen/Arbeiten konzipieren etc.. Nach oben hin gibts bei unserem Job keine festen Grenzen, die musst du dir selbst setzen, sonst ufert das aus und du landest nach ein paar Jahren so oder so im Burnout.

Und jetzt hau rein: Im Sinne echter Perfektion!! ;-)

Yubel
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von Yubel »

Basti91 hat geschrieben: aber nachdem es mich im ersten Abschnitt bei sieben Stunden die Woche einfach schon vollkommen zerlegt hat und ich Tipps zum effizienteren, vl. auch etwas weniger perfektionistischem Arbeiten einfach nicht umsetzen konnte, was mit starken Konzentrationsproblemen, Schlaflosigkeit und zunehmend depressiven Zuständen, verschiedenen körperlichen Symptomen etc. etc. einhergegangen und mehr oder weniger bis zur Arbeitsunfähigkeit gegangen ist, konnte ich mir ausrechnen, dass die Verdoppelung der Stundenzahlen ein Problem werden würde...

Hallo,
der Planungsaufwand im Vorbereitungsdienst ist tatsächlich enorm. So mancher sagt, die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst müssten ein "Wunder in 45 Minuten" planen und realisieren. Natürlich lässt sich in der Zeit nach dem Vorbereitungsdienst bei einer vollen Stelle ein solcher Plaungsaufwand nicht mehr leisten - das ist manchen Landesschulbehörden auch durchaus klar. So schlägt der "Leitfaden zum Berufsstart" des Landes Niedersachsen vor, sich mit Kolleginnen und Kollegen abzusprechen, oder mit dem Buch und Vorlagen zu arbeiten (vgl. https://wordpress.nibis.de/semsopos/fil ... sstart.pdf).

Bezüglich einer praxisorientierten und zweckmäßigen Unterrichtsplanung gibt es immerhin etwas Literatur, die den ein oder anderen Tipp bereithalten:

Mattes, Wolfgang: Routiniert planen - effizient unterrichten. Paderborn 2006.
Mittelstädt, Holger: Unterrichtsvorbereitung. Strategien, Tipps und Praxishilfen. Mühlheim a. d. Ruhr 2010.

Eine persönliche Anmerkung (die Du überspringen kannst, wenn Du sie nicht brauchst):
Ich kann Deine Situation gut verstehen, ich hatte auch schon angesichts der Belastung und der permanenten Kritik ans Aufhören gedacht (hatte mir schon Ausbildungsstellen gesucht). Mir ist auch Vieles über den Kopf gewachsen. Was mir geholfen hat, war tatsächlich die Literatur, weil ich auch von meinen Mentoren und Fachleitern keine Unterstützung erhielt - und (noch wichtiger) meine persönliche Einschätzung und Intuition. Manchmal ist die persönliche Einschätzung und ein persönlich angelegtes Planungsraster das Beste.
Viele Grüße

Yubel

Basti91
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von Basti91 »

Hey Yubel,

danke dir für deine Einschätzung, die Literatur werde ich mir mal anschaffen! Und nein, deine eigene Einschätzung ist auf keinen Fall nicht gefragt, geht ja um einen Erfahrungsaustausch, in diesem Sinne danke dir! Gute Zeit und viel Gesundheit!

popai
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von popai »

Moin Basti,

Aus meiner persönlichen Erfahrung und Sichtweise ist die Intrinsische Motivation ausschlaggebend dafür, wie man sich im Ref schlägt. Ich meine du sagst du hast gute Rückmeldungen bekommen, gute Lehrerpersönlichkeit, gute Stunden etc. Da denkt man sich, was will man mehr? Ich kann es aber gut nachvollziehen warum du trotzdem Abstand vom ref genommen hast. Denn was bringt mir noch so eine gute Bewertung von Außen, wenn meine grundsätzliche Einstellung gegenüber der institution schule oder ref negativ geprägt ist? Genau, fast nichts. Die gute Kritik geht zum einen Ohr rein und zum anderen Ohr wieder raus, sozusagen.
Das Ref ist kein Ort, sich mit der Frage zu beschäftigen: Bin ich grundsätzlich als Lehrer geeignet oder nicht? Ref ist kein Ort, sich mit seinen Zweifeln, falls sie grundsätzlicher Natur sind, auseinanderzusetzen. Im Ref wird bewusst Druck aufgebaut, das Ref verfolgt auch immer eine Siebfunktion d.h ungeeignete Leute sollen rausgefiltert werden.
D.h bevor man das Ref antritt ist es aus meiner Sicht wichtig, grundsätzliche Zweifel auszuräumen.

Ich interpretiere aus deinem geschriebenen Basti, dass es an deiner Einstellung liegt. Ich meine ganz ehrlich schau in andere Bereiche des Lebens: Wenn man eine ungebrochene Leidenschaft und Motivation für etwas aufbringt, dann lässt man sich nicht so einfach von Faktoren aus der Bahn werden, dann investiert man Zeit und Mühen um sein Ziel zu erreichen und lässt sich nicht so einfach davon abbringen. Und ich glaube, korrigiere mich wenn ich falsch liege, dass genau das dein Problem ist, die Motivation. Wenn man Zweifelt ob man gut aufgehoben ist an der Schule, ob man überhaupt in die Rolle passt, wenn man sich nicht als Lehrer sieht, dann wirds im Ref schwer.

LÖSUNG: Ich würde erstmal aus dem Ref rausgehen und mir eine positive Einstellung gegenüber der institution schule und der eigenen Lehrerrolle aufbauen. D.h arbeite 3 - 5 Stunden pro Woche als Vertetungslehrer und arbeite kleinschrittig an deinen Problemen wie Vorbereitung oder anderen Dingen. Oder als AG-Leiter und versuche dich in der Beziehungsarbeit zu Kindern, bau Beziehungen auf und horche in dich hinein, ob du das wirklich willst.
Wenn du eine gewisse Expertise aufgebaut hast, würde ich erneut ins Ref gehen.

Maximer
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von Maximer »

popai hat geschrieben: Im Ref wird bewusst Druck aufgebaut, das Ref verfolgt auch immer eine Siebfunktion d.h ungeeignete Leute sollen rausgefiltert werden.
D.h bevor man das Ref antritt ist es aus meiner Sicht wichtig, grundsätzliche Zweifel auszuräumen.

LÖSUNG: Ich würde erstmal aus dem Ref rausgehen und mir eine positive Einstellung gegenüber der institution schule und der eigenen Lehrerrolle aufbauen. D.h arbeite 3 - 5 Stunden pro Woche als Vertetungslehrer und arbeite kleinschrittig an deinen Problemen wie Vorbereitung oder anderen Dingen. Oder als AG-Leiter und versuche dich in der Beziehungsarbeit zu Kindern, bau Beziehungen auf und horche in dich hinein, ob du das wirklich willst.
Wenn du eine gewisse Expertise aufgebaut hast, würde ich erneut ins Ref gehen.
Der Aussage oben stimme ich 100%tig zu, ich sehe das Referendariat auch vor allem als Stresstest und damit von der selektiven Seite her. Aber Gründe dafür, weshalb es während dem Referendariat zu extremen Motivationsproblemen kommen kann und Leute an Abbruch denken (dazu gehörte ich) oder sogar freiwillig abbrechen (das hat ja der Threadersteller gemacht), kann es viele geben. Das muss nicht unbedingt daran liegen, dass man Probleme mit Schülern oder der Schule als Institution hat. Ich war z.B. vorher AG-Leiter und hatte vorher nie nennenswerte Probleme in Praktikas, sondern wurde auch immer bestärkt. Trotzdem war ich im Referendariat dem Abbruch nahe. Je nach Ausbildungssituation kann dieser Stresstest halt schon extreme Züge annehmen (zur falschen Zeit am falschen Ort!).

Da macht es dann auch Sinn, wenn es möglich ist, z.B. die Ausbildungsschule zu wechseln. Dann kann es nämlich sein, dass plötzlich alles wunderbar läuft und man wieder Spaß an der Ausbildung hat. Ich denke aber nicht, dass das beim Threadersteller das Problem war, ich wollte es nur der Vollständigkeit halber gesagt haben.

popai
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von popai »

Maximer hat geschrieben: Aber Gründe dafür, weshalb es während dem Referendariat zu extremen Motivationsproblemen kommen kann und Leute an Abbruch denken (dazu gehörte ich) oder sogar freiwillig abbrechen (das hat ja der Threadersteller gemacht), kann es viele geben. Das muss nicht unbedingt daran liegen, dass man Probleme mit Schülern oder der Schule als Institution hat.
Das wollte ich damit auch nicht zum Ausdruck bringen, die Gründe sind vielfältig. Aber Basti hat es ja erläutert, das Pensum der Stunden und die damit einhergehend Vorbereitung war so hoch, dass es in ein Überlastungssyndrom gemündet ist.Was ich mit "negative Einstellung gegenüber der Institution Schule" meinte, ist, dass man einfach seine Zweifel so gut es geht vor Antritt ausräumen sollte und ein positives Mindset gegenüber dem Ref entwickeln sollte im Sinne von "ich hab bock auf das Ref weil ich mich weiterentwickeln will und bock habe zu unterrichten und ich habe die Gewissheit, dass ich als Lehrer arbeiten kann und will und im Bereich XY meine Stärken habe". Warum? Damit die Baustellen, die sich auftun, auf ein Minimum reduziert werden, sodass sich Überlastungserscheinungen (die für Basti ja ausschlaggebend waren) so wenig wie möglich auftun.
Deswegen mein Ratschlag über eine längere Zeit als Vertretungslehrer zu arbeiten und dann ganz gezielt mit Hilfe von anderen Lehrern an seinen Problemen arbeitet und sich an die Aufgaben im Ref gewöhnt. Der Vorteil ist halt, dass die Baustellen dann überschaubar sind und man sich im Ref diesen übrig gebliebenen Baustellen widmen kann.
Aber natürlich schließt diese Vorgehensweise erneute Motivations- oder Überlastungsprobleme nicht aus, letztlich geht es darum, es auszuprobieren.

Ich meine aus dem Grund der mangelnden Praxisphase im Staatsexamen wurde das Studium durch Bachelor und Master mit Praxissemester reformiert, aber selbst dieses eine Semester bietet immer noch viel zu wenig Praktischen Anteil. Meiner Ansicht nach sollte man sich am skandinavischen Modell orientieren, d.h ab dem zweiten Semester an die Schule in Form von Teamteaching und gegenseitiger Supervision. Leider wird im Staatsexamen einem auch nicht kommuniziert "LEUTE ORGANISIERT EUCH SELBER UND GEHT ALS VERTERTUNGSLEHRER ODER IM ZUGE VON FREIWILLIGER PRAKTIKA AN DIE SCHULE UND SAMMELT ERFAHRUNG UM EUCH MENTAL AUF DAS REF VORZUBEREITEN". Schade

Glaube auch nicht, dass ein Schulwechsel seine probleme löst. Denn seiner Meinung nach waren die rahmenbedingungen ganz gut. Die Probleme sind grundsätzlicher Natur und meiner ansicht nach in einer mangelnden Selbstwirksamkeit vor allem in Bezug auf das Unterrichten und damit einhergehende Vorbereiten zu suchen.

Maximer
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Re: Abbrechen.. und dann?

Beitrag von Maximer »

popai hat geschrieben: Glaube auch nicht, dass ein Schulwechsel seine probleme löst. Denn seiner Meinung nach waren die rahmenbedingungen ganz gut. Die Probleme sind grundsätzlicher Natur und meiner ansicht nach in einer mangelnden Selbstwirksamkeit vor allem in Bezug auf das Unterrichten und damit einhergehende Vorbereiten zu suchen.
Sehe ich genauso, das mit dem Schulwechsel war auch nicht auf den Threadersteller bezogen. Was deine Aussagen auf ihn bezogen betrifft, bin ich ganz deiner Meinung.

Auch deine Vorschläge zu Verbesserungen im Referendariat würde ich so 1:1 unterschreiben. Vielleicht noch um den Punkt ergänzt, dass man sich seine Ausbildungsschule selbst suchen MUSS und die Schule einen auch ablehnen kann, wenn die Chemie nicht passt.

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