"Tipps"

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
karla_j
Beiträge: 3
Registriert: 18.09.2015, 21:34:58

"Tipps"

Beitrag von karla_j »

Hallo zusammen,

nachdem ich das Referendariat an einem bayerischen Gymnasium probiert habe und nach kurzer Zeit selbst wieder beendet habe, könnte ich hier bestimmt zum x-ten mal die schlechten Erfahrungen posten, die schon viele andere vor mir gemacht haben.

Stattdessen will ich hier ein paar (Anti-)Tipps geben, wie man es (nicht) machen soll.

Da das Referendariat eine Ausbildung ist, die euch strukturiert und sehr zielgerichtet auf den Lehrerberuf vorbereitet und keinesfalls mit sinnlosen Inhalten überfrachtet ist, solltet ihr folgendes beherzigen:


1. Seminarlehrer, Fachlehrer, Mentoren haben immer recht! Niemals dürft ihr es wagen, ihre Ansichten in Frage zu stellen. Natürlich machen alle ausnahmslos gut vorbereiteten Unterricht.
2. Seid perfekt von Anfang an. Ihr seid schließlich nicht in der „Ausbildung“, um etwas zu lernen. Ihr müsst alles schon vorher können. Wagt nicht, euren Ausbildungslehrern Fragen zu stellen oder gar um Unterstützung zu bitten – dazu sind diese schließlich nicht da.
3. Kritik ist immer 100% berechtigt, natürlich nur, wenn ihr kritisiert werdet. Positives sollte von euren Ausbildern so gut wie gar nicht erwähnt werden. Auf Kleinigkeiten herumzureiten motiviert die Referendare umso mehr. Ihr seid natürlich immer schuld, wenn etwas schief läuft. Nie kann es eine Rolle spielen, dass die Klasse mit über 30 Schülern einfach nur zu groß ist oder dass die Klasse nach einer vorangegangenen Klassenarbeit oder am Nachmittag einfach nicht mehr so aufnahmefähig ist.
4. Die eigene Meinung und die eigene Persönlichkeit werden überbewertet. Gebt beides am besten schnell auf und sagt und tut, was eure Ausbilder hören und sehen wollen. Schließlich ist das Referendariat nicht dazu da, um euren eigenen Unterrichtsstil zu entwickeln.
5. Schleimt und profiliert euch, so viel ihr könnt. Ihr könnt euch z.B. dadurch profilieren, indem ihr über den Unterricht eurer Mitreferendare herzieht, der natürlich viel schlechter ist als eurer.
6. Lasst euch nicht von anderen Mitreferendaren in die Karten schauen. Selbst wenn ihr mal dieselbe Jahrgangsstufe und dasselbe Fach wie ein Mitreferendar habt, sprecht euch auf keinen Fall mit ihm ab und arbeitet auch nicht zusammen. Ihr wollt ja schließlich keinen Austausch haben, mit dem man eventuell neue Impulse bekommt oder wertvolle Zeit bei der Unterrichtsvorbereitung einsparen kann. Verkrümelt euch lieber schnell ins eigene stille Kämmerlein und erfindet dort das Rad neu.
7. Schiebt Panik und Prüfungsangst, möglichst von Anfang an. Legt jedes Wort eurer Mitreferendare auf die Goldwaage und sagt ihnen immer, wenn sie etwas „Falsches“ sagen, dass dies sich irgendwann negativ in irgendeinem Gutachten oder einer Prüfung auswirken könnte.

Wenn ihr das alles tut, seid ihr spätestens in zwei Jahren stocksteife Unterrichtsvollzugsbeamte.


Ich möchte hier niemanden persönlich angreifen. Die bewusst eingesetzte Ironie bei den "Tipps" soll hier vielmehr Denkanstöße geben. Natürlich mag es hier auch einige geben, die ganz andere Erfahrungen gemacht haben und eine gute Ausbildung bekommen haben. Ich gehörte aber leider nicht dazu.

Viele Grüße

Karla

Fränzy
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Re: "Tipps"

Beitrag von Fränzy »

Ich bin immer wieder fassungslos, wie es wohl an anderen Schulen zugeht. Unsere Refs sind in erster Linie Kollegen und ausnahmslos jeder begegnet ihnen auf Augenhöhe. Selbstverständlich dürfen sie eine eigene Meinung haben, selbstverständlich haben Mentoren nicht immer Recht. (Allerdings gibt's durchaus Dinge, die "alte Hasen" begründet etwas machen, was dem Ref als schlecht vorkommt, es aber nicht ist).

Prüfungskoller sollte man bei uns besser mit seinen Freunden aushandeln. Den mag echt niemand.
שָׁלוֹם

Katta
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Re: "Tipps"

Beitrag von Katta »

Ich finde auch schade zu hören, dass es scheinbar anderswo so läuft. Natürlich ist man als Ref nicht perfekt, ich fordere sie immer auf, mit Fragen zu kommen. Erkläre aber auch, dass, wenn ich dann vielleicht mal kurz angebunden wirke, das nichts mit ihnen zu tun hat, sondern ich einfach gerade extrem im Brass bin, also nicht gleich alles persönlich nehmen.
Und im Leben habe ich nie behauptet, dass ich immer prefekt vorbereitet bin. Funktioniert bei der Atbeitsbelastung sowieso nicht.
Ich hatte allerdings auch schon Referendare, die mit der 'ich komme aus der Uni und bin auf dem neuestens Stand und die alten Lehrer hier machen alle ganz furchtbaren Unterricht und haben eh keinen Plan'-Haltung durch die Gegend liefen. Ohne mal zu hinterfragen, warum Kollege x etwas eben auf eine bestimmte Art macht...ohne drüber nachzudenken, dass jahrelange Erfahrung auch etwas ist, von dem man lernen kann. Und ja, um die kümmere ich mich dann auch nicht mehr, denn so viel Zeit habe ich nun auch nicht...

kecks
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Re: "Tipps"

Beitrag von kecks »

ich finde es schade, dass du das bayerische ref am gym so erlebt hast. bei uns war es insgesamt wirklich okay.

Illi-Noize
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Re: "Tipps"

Beitrag von Illi-Noize »

kecks hat geschrieben:ich finde es schade, dass du das bayerische ref am gym so erlebt hast. bei uns war es insgesamt wirklich okay.
An der Realschule ist es sehr ähnlich aufgebaut... es war nicht schlimm, einzig nervig. Ich habe es hier schon mehrfach geschrieben: Die Zeit als Bankazubi war für mich deutlich unbefriedigender als die Zeit im Ref...

Skeet1414
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Re: "Tipps"

Beitrag von Skeet1414 »

Für mich klingt das erstmal bitter - erstens, weil Leute diese Erfahrungen gemacht haben, zweitens, weil die Tipps von einer gewissen Bitterkeit zeugen (ich weiß, Ironie und so ...).

Mein Ref habe ich streckenweise genauso empfunden wie die Dame hier, allerdings bin ich heute in der Lage zu reflektieren, dass auch ich selbst eher suboptimal war, was Auftritt und zwischenmenschliche Lernfähigkeit anging. Ich denke, Karla hat den Abstand noch nicht gewonnen, auch so reflektieren zu können.

kecks
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Re: "Tipps"

Beitrag von kecks »

bitter war die erfahrung der schreiberin sicherlich. und es ist völlig legitim, diese erfahrung sarkastisch oder ironisch oder wie auch immer in "tipp"-form zu bringen. ich kenne einige leute, denen es ähnlich ergangen ist. und auch leute, die es so mittel fanden, und manche, die sehr gute erfahrungen gemacht haben. der untertanengeist ist schon groß an manchen/einigen/vielen (kann ich nicht beurteilen) seminarschulen (und nein, das ist nicht fehler der refis, sondern teil einer miesen kultur an diesen schulen). "abstand" und "reflektieren" ist schön und gut, manchen absolventen fehlt dergleichen tatsächlich. manche haben aber auch einfach nur eine sch**** erfahrung gemacht im ref dank fehlbesetzungen im bereich schulleitung, seminarlehrer, betreuungslehrer, sinnbefreiter vorgaben von oben etc..

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