Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
teacher_a
Beiträge: 217
Registriert: 26.10.2011, 8:10:17
Wohnort: BW|Berufliche Schule

Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von teacher_a »

Hallo zusammen,

ich habe eine Frage, die mich seit dem Referendariat nicht loslässt: Woran merkt man ob man ein guter oder ein schlechter Lehrer ist? Spürt man es, ob man einen guten Draht zu Schülern hat und in einer Klasse alles gut läuft oder kann man sich komplett täuschen und die Lage falsch einschätzen?

Ich habe bisher mal mehr mal weniger gern meine Arbeit getan, das Korrigieren & das abendliche Vorbereiten des Unterrichts nervt. Aber ich hatte in den letzten Jahren nicht das Gefühl, ungern zu unterrichten, ich mag meine Schule, die meisten Kollegen und viele Schüler. Nun hat mich ein Kollege angesprochen, dass eine Klasse seiner Meinung nach ein Problem mit mir hat und sich eine halbe Stunde lang mit mir unter vier Augen darüber unterhalten wie toll er seinen Unterricht gestaltet und dass ich mir was überlegen muss, weil ich meinen Job sonst nicht 20 Jahre lang machen werde können, er hat noch angedeutet mit mir nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen (wir unterrichten die Klasse als Team). Das wirft mich komplett aus der Bahn und ich kann es nicht verstehen, der "nette" Kollege hat auch keinerlei handfeste Beweise dass die Klasse mich nicht mag oder er rückt sie nicht raus. Ich bin inzwischen so niedergeschlagen, dass ich gar keine Lust habe in die Schule zu gehen. Die Gedanken drehen sich bei mir ständig um mögliche persönliche Defizite und die Eignung zum Lehrerberuf :cry:

Katta
Beiträge: 577
Registriert: 09.06.2005, 15:57:09
Wohnort: NRW

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von Katta »

Das Gespräch mit dem Kollegen ist so, wie du es schilderst, dass es abgelaufen ist, natürlich für die Tonne.
Ansonsten ist es schwer, das "objektiv" selber festzustellen, finde ich. Dazu gehört ja nun mal auch, was für dich die wichtigen Kriterien sind? Natürlich gibt es vermeintlich objektivierbare Kriterien (siehe Hilbert Meyer & Co.), ich finde es aber auch wichtig, was deine persönlichen Schwerpunkte sind, was dir wichtig ist? Mir persönlich ist es natürlich auch wichtig, dass die Kinder bei mir etwas lernen im Sinne von Fachwissen, ich gestehe aber, dass mir - wenn man mich vor die Wahl stellen würde, das eine oder das andere - mir das Pädagogische etwas wichtiger ist (also z.B. meine Aufgaben als Klassenlehrerin. Hier bekomme ich sehr regelmäßig feedback direkt von den Kindern und auch den Eltern - allerdings nur positives, das negative dringt aus irgendeinem Grund nicht zu mir durch - und irgendetwas gibt es mit Sicherheit).
Wenn dir klar ist, was dir wichtig ist, dann kannst du deinen Unterricht entsprechend evaluieren lassen. Ich habe z.B. meinen Q1 Kurs gebeten, nachdem wir zwei Klausuren geschrieben haben, mir eine Rückmeldung zu geben (nachdem sie ja jetzt in etwa wissen, wie ich so ticke, bewerte etc), was läuft gut und sollte beibehalten werden, was fehlt ihnen für eine gute Vorbereitung aufs Abitur, so in der Richtung.
Es gibt natürlich auch standardisiertere Abfragen. Die Schwierigkeit is natürlich immer die, dass die Schüler sich ggf. nicht immer trauen, alles ganz ehrlich zu beantworten, hier brauchen sie natürlich Vertrauen in deinen Umgang mit den Ergebnissen (wobei ich den Klassen mitunter auch schon mal sage, dass ich ggf. Rückfragen stelle, wenn ich etwas nicht verstehe -- wenn dann keiner antwortet, weil er/sie sich nicht traut, ist das aber auch in Ordnung und müssen wir dann mit leben). Es hilft auch, ihnen zu vergewissern, dass man sich bei der Anzahl an Klausuren, die man so korrigiert, eh keine Handschriften merken kann (ich zumindest nicht).

Wenn dich die Frage ernsthaft interessiert, führt an der Evaluation kein Weg vorbei, finde ich. Hilft aber auch eh ungemein, die eigenen Routinen auch mal wieder zu hinterfragen. Und ggf. kann man dann auch einem Kurs transparenter machen, warum man so und nicht anders handelt, wenn sie etwas für dich Wichtiges etvl. kritisieren oder so.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von krabappel »

Katta hat geschrieben:Das Gespräch mit dem Kollegen ist so, wie du es schilderst, dass es abgelaufen ist, natürlich für die Tonne.
Sehr richtig.

Im Team arbeiten ist schwierig. Jeder Lehrer ist anders, legt unterschiedliche Schwerpunkte, kennt verschiedene didaktische Kniffs, geht anders mit Konflikten um, sanktioniert verschieden. Das ist Typsache, Erfahrungssache, hängt mit Wertevorstellungen, Vorbildern, Kenntnisstand, eigener Erziehung zusammen. Und jeder macht es natürlich genauso, wie er im Moment kann oder/ und es für richtig hält.

Ich würde noch mal auf den Kollegen zugehen und konkret absprechen, wie eure Zusammenarbeit in Zukunft aussehen soll. Ihr braucht klare Absprachen, wer wann welche Aufgaben übernimmt. Seine Privatmeinung interessiert dabei Null. Ansonsten braucht ihr Hilfe von der Schulleitung. Immer schön sachlich bleiben.

Und eine Ansage an den Kollegen: Wenn er auf die Idee kommen sollte, sich angebliche oder tatsächliche Beschwerden über dich anzuhören und mit den Kindern auszudiskutieren, dann brennt die Luft. Das ist nämlich das einzige Kriterium, an dem man mit Sicherheit einen "schlechten" Kollegen erkennt.

teacher_a
Beiträge: 217
Registriert: 26.10.2011, 8:10:17
Wohnort: BW|Berufliche Schule

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von teacher_a »

Vielen Dank euch für die schnellen Antworten.
Ich habe schon Feedback-Bögen audgedruckt und werde das Feedback bei meiner Lerngruppe morgen durchführen.

Das Gespräch mit dem Kollegen wirft mich irgendwie ziemlich aus der Bahn, ich bin mir eben nicht sicher ob er recht hat. Aber das ist schon richtig, dass er ein komplett anderer Typ ist und leider sind mit ihm keine klaren Absprachen möglich, er ist zu hektisch und wird schnell nervös, eigentlich meidet er Gespräche mit mir aus mir unerklärlichen Gründen. Mich stört so vieles bei der Zusammenarbeit mit ihm, aber ich nehme es so hin, er ist nun mal anders und ich mache das Beste daraus weil er auch sehr nett sein kann und hilfsbereit. Aber bei unserem Gespräch letzte Woche war er unfreundlich und davon überzeut, dass ich meine Sache schlecht mache (er hat sogar Beispiele aus seinem Unterricht gebracht wie er mit Unruhestiftern umgeht (die Beispiele finde ich nicht gut) und mir zu Fortbildungen geraten), da komme ich nicht darüber weg und bin sehr traurig.

Skeet1414
Beiträge: 190
Registriert: 11.10.2010, 16:21:03
Wohnort: NRW

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von Skeet1414 »

Ich habe auch schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Nicht so heftig, wie in deinem Fall, allerdings. Es gibt auch unter Lehrern Egokünstler, die sich selbst gerne darstellen und einen Teil ihres Selbstwertgefühls aus dem Vergleich mit Kollegen beziehen. Schließlich kocht auch dein Kollege nur mit Wasser.
Wenn mich eine meiner Klassen offiziell nicht ,,mochte", stellte sich meist schnell heraus warum: weil ich die Hausordnung durchzog, Einträge machte, Strafen verteilte, Eltern anrief, etc. Vielleicht ist es bei dir ähnlich; vielleicht zeigt es gerade, dass du deine Arbeit ,,gut" machst?!

Zum ,,ich habe mir der Klasse über dich gesprochen": das geht nicht, und das würde ich dem werten Kollegen auch so spiegeln. Man fällt Kollegen nicht - auf diese Art - in den Rücken.

reffi25
Beiträge: 177
Registriert: 07.02.2013, 0:24:57

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von reffi25 »

Diese Fragen bringen dich nirgendwohin, außer in erneute Selbstzweifel. In der Realität sieht es so aus: Einige mögen dich, andere nicht. Einige sind zufrieden, andere nicht. Bei mir ist es so, dass ich erst, seitdem ich ganz ich selbst bin (auch mit Macken) im Unterricht so etwas wie Zufriedenheit spüre. Ich war sehr, sehr lange völlig unsicher, verspannt und unlocker.
Was kann man tun? Kollegen sind verschieden, ist klar. Dass ein Kollege auf irgendwelche Schülerbeschwerden hört und dir diese dann auch noch verschweigt, finde ich unseriös. Hatte bei mir in der Schule auch so einen Fall, eine Kollegin hat mir, als ich neu war, vor der Klasse das Wasser abgegraben (ich hatte ein Verbot für ein bestimmtes Verhalten in meinem Unterricht aufgestellt, sie widersprach mir hintenrum und setzte es außer Kraft!). Manche Menschen sind einfach arrogant oder denken, sie haben die Weisheit gepachtet. Genauso könntest du sagen, dass dein Kollege durch seine Unruhe ein mieser Lehrer ist. Bleib ruhig und lass dich auf nichts ein. Ein guter Lehrer ist nicht immer ein absolut beliebter Lehrer. Lehrer und Schüler sind keine Freunde und es geht hier nicht um Sympathiepunkte sammeln in einer Freundesclique.
Lieben Gruß
reffi25

ffm313
Beiträge: 60
Registriert: 24.06.2012, 22:03:06
Wohnort: RLP, HS, En/Mu

Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von ffm313 »

teacher_a hat geschrieben:Hallo zusammen,

ich habe eine Frage, die mich seit dem Referendariat nicht loslässt: Woran merkt man ob man ein guter oder ein schlechter Lehrer ist? Spürt man es, ob man einen guten Draht zu Schülern hat und in einer Klasse alles gut läuft oder kann man sich komplett täuschen und die Lage falsch einschätzen?

Ich habe bisher mal mehr mal weniger gern meine Arbeit getan, das Korrigieren & das abendliche Vorbereiten des Unterrichts nervt. Aber ich hatte in den letzten Jahren nicht das Gefühl, ungern zu unterrichten, ich mag meine Schule, die meisten Kollegen und viele Schüler. Nun hat mich ein Kollege angesprochen, dass eine Klasse seiner Meinung nach ein Problem mit mir hat und sich eine halbe Stunde lang mit mir unter vier Augen darüber unterhalten wie toll er seinen Unterricht gestaltet und dass ich mir was überlegen muss, weil ich meinen Job sonst nicht 20 Jahre lang machen werde können, er hat noch angedeutet mit mir nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen (wir unterrichten die Klasse als Team). Das wirft mich komplett aus der Bahn und ich kann es nicht verstehen, der "nette" Kollege hat auch keinerlei handfeste Beweise dass die Klasse mich nicht mag oder er rückt sie nicht raus. Ich bin inzwischen so niedergeschlagen, dass ich gar keine Lust habe in die Schule zu gehen. Die Gedanken drehen sich bei mir ständig um mögliche persönliche Defizite und die Eignung zum Lehrerberuf :cry:
Auch ich empfinde das Verhalten deines Kollegen als "no go" und habe den Verdacht, dass er vielleicht eifersüchtig auf dich ist, weil es eventuell genau umgekehrt ist, wie er es darzustellen versucht.

An meiner alten Hauptschule hatten wir so ein paar alte Biester (Jahrgang 47 und 48, mittlerweile GsD im nichtverdienten Ruhestand), die das systematisch mit neuen, jungen Kollegen abgezogen haben. Diese wurden dadurch natürlich total verunsichert und verloren die Freude am Beruf, somit hatten sie ihr Ziel erfolgreich erreicht - einfach widerlich war das :(

Dir alles Gute und lass dich nicht unterkriegen!
Geist ist geil!

Ewig währt am längsten.

Antworten