Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
cancre
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von cancre »

Hallo!

Zieh dir den Schuh bloß nicht an! Der einzige, der hier Defizite im Lehrerberuf zu haben scheint, ist dein Kollege.

So wie du ihn schilderst, ist er nicht in der Lage, sich an Absprachen zu halten, hektisch und nervös und scheint sich mit eurer Klasse über dich auszutauschen (oder woher hat er die Informationen?). Ersteres und letzteres sind absolut nicht hinzunehmen. Darüber hinaus, scheint es einfach auch viele Unklarheiten zu geben ("Andeutungen" usw.).

Was hältst du davon, mit ihm ein sachliches, besonnenes, klärendes Gespräch zu führen, im Sinne von:

"Als wir uns letztens über die Klasse/den Unterricht unterhalten haben, habe ich mich wirklich schlecht gefühlt, weil mich das Gespräch total verunsichert hat, ob ich mit meinem Vorgehen im Unterricht alles richtig mache.
Ich habe da jetzt in Ruhe noch einmal drüber nachgedacht und denke, dass das so, wie ich das handhabe, für meinen Unterricht - in meiner Verantwortung - absolut richtig ist.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie in einigen Punkten (z.B. Umgang mit Unterrichtsstörungen) mit meinem Vorgehen nicht einverstanden sind? Wenn ja, welche DInge sind dies genau?"
"..."
"Nun, das sind ja Dinge, die jeder Lehrer für sich entscheiden kann, ohne gegen Vorschriften/schulinterne Vereinbarungen zu verstoßen. Das können wir ja machen, wie wir wollen. Ich würde Sie bitten, in Zukunft zu akzeptieren, dass ich das anders handhabe als Sie."
oder
"Oh, ich tue dies, weil dies Verwaltungsvorschrift XY/unser Konferenzbeschluss vom XY so festgelegt hat. Da haben wir einfach keinen Spielraum. Ich würde Sie bitten, sich auch an diese Vorschrift zu halten, ich halte es in dieser Sache für ungemein wichtig, dass wir an einem Strang ziehen, zueinander loyal sind und uns von den Schülern nicht gegeneinander ausspielen lassen."

Gruß
cancre
IN AETERNAM A-XIII

teacher_a
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von teacher_a »

Ich schwanke auch hin und her ob ich noch ein Gespräch mit ihm führen soll. Weil er nie Zeit für Besprechungen hat und mich mit unfreundlichen Emails bombardiert hat, habe ich ihn per Email um einen Termin gebeten um weitere Themen zu besprechen und da hat er mich dann mit diesen persönlichen Anfeindungen überrascht. Ich weiß nicht, ob ich mit ihm noch mal darüber reden soll, vielleicht wäre es besser.

Als ich ihn gefragt habe, was konkret die Schüler bemängeln hat er gesagt dass er das nicht weiß, nur dass die Schüler zu ihm gesagt haben, dass viele lieber bei ihm den gruppenteiligen Unterricht haben wollen als bei mir. Und dann kamen die tollen Hinweise, wie man lieber Unterrichtsstörungen ignoriert und was er für lustige Sprüche bezüglich der Fehlzeiten eines speziellen Schülers macht. Danach noch der Vorschlag, ich soll lieber was anderes unterrichten als das Fach mit ihm gemeinsam und dann die krönende Behauptung dass ich den Beruf so nicht die nächsten 20 Jahre ausüben werde können, wenn ich mit Schülern solche Probleme habe (von der Existenz dieser Probleme wusste ich bis zu dem Zeitpunkt nichts). Er meinte dass er selber nicht nachtragend sei (was überhaupt nicht stimmt) und Schüler-Probleme nicht mit nach Hause nimmt, dass er auch mal einen Scherz machen kann (ja, ich bin kein Spaß-Typ, muss man das sein als Lehrer?) usw. :|

Drops
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von Drops »

teacher_a hat geschrieben:Nun hat mich ein Kollege angesprochen, dass eine Klasse seiner Meinung nach ein Problem mit mir hat und sich eine halbe Stunde lang mit mir unter vier Augen darüber unterhalten wie toll er seinen Unterricht gestaltet und dass ich mir was überlegen muss, weil ich meinen Job sonst nicht 20 Jahre lang machen werde können, er hat noch angedeutet mit mir nicht mehr zusammenarbeiten zu wollen (wir unterrichten die Klasse als Team).
Das ist, gelinde gesagt, eine bodenlose Frechheit von dem betreffenden Kollegen!
Ihm kann es herzlich egal sein, wie Du Deinen Unterricht gestaltest, so lange Du ihn nach den Gesetzen und Werten Deines BL durchführst und Dich an den Lehrplan hältst.

Witzig auch, dass die Klasse seiner Meinung nach ein Problem mit Dir hat, die Klasse selbst bei Dir aber nichts dergleichen erwähnt. Sicherlich, manchmal fehlt SuS der Mut, doch ich bin mir sicher, Du hättest gemerkt, wenn etwas absolut gegen ihren Strich läuft. Die ersten, die da auf der Matte stehen, sind nämlich die Eltern und anscheinend ist das nicht passiert.

Der werte Herr Kollege hat den Mund zu halten. Dass er nicht mehr mit Dir im Team arbeiten möchte, ist mehr als befremdlich. Wir haben auch Doppeltutorenschaften an unserer Schule und ja, manchmal halten diese "Zweckehen" nicht und dann müssen sie separiert werden, allerdings geschieht dies in Absprache mit dem Tutorenpartner, der Stufenleitung sowie der Schulleitung.
Hier versucht dir jemand, sein Problem aufs Auge zu drücken, was unsagbar fies ist.

Lass den Kollegen. Sollte er wirklich ein solch unglaublich großes Problem mit Dir haben, so kann er das gerne der Stufenleitung/Schulleitung rückmelden, sodass diese mit Dir sprechen und die Tutorenschaft ggf. auflösen.

Lass Dir nicht einreden, Du würdest irgendwas falsch machen! Zieh Deine Evaluation durch, sprich mit der Klasse (und Du wirst sehen, da wird nichts kommen) und dann Ende-Gelände.

Ich spreche da aus Erfahrung, denn mir ist dasselbe (außer der Auflösung einer Tutorenschaft) auch schon untergekommen. Solche Kollegen lenken gern von sich und ihrer Arbeit ab, denn meist stecken da ganz andere (persönliche) Probleme dahinter und diese Kollegen denken, mit jungen, unerfahrenen Kollegen könnten sie's ja machen!
Und siehe da, Du windest Dich in Selbstzweifeln! Blödsinn! :x

krabappel
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von krabappel »

Stell dir mal vor, jemand anderer hätte deine Frage hier eingestellt. Nehmen wir Herrn Schmitt, ein freundlicher, witziger, durchsetzungsstarker, gutaussehender, erfahrener Kollege, der alles richtig macht:

Schmitt erhält von Herrn Müller unfreundliche E-mails. Schmitt möchte gerne sachliche Fragen klären und bittet freundlich um einen Gesprächstermin. Müller pöbelt haltlos rum, erzählt von seinem tollen Unterricht, wie man mit Schüler X umzugehen habe, wie witzig er sei, dass die Kinder ihn viel lieber mögen und zu Guter letzt sein großer Bruder der stärkere wäre. Außerdem solle Schmitt doch was anderes unterrichten, das Team wechseln und sich abschließend eine andere Persönlichkeit zulegen.

Was kann Schmitt tun?

1. sich das Hirn zermarten, ob er nicht doch etwas witziger, weniger witzig, strenger, weniger streng, oder von irgendwelchen Schülern noch mehr gemocht werden wollen sollte

2. sich zu Recht ärgern und Müller die Meinung geigen

3. weitere, vermutlich erfolglose, Gespräche anberaumen, um etwas zu klären, was Müller aber gar nicht klären will (beachte: nur Schmitt will klären, Müller will pöbeln!)

4. den Schulleiter einschalten, das Gespräch wieder auf eine sachliche Ebene zu holen. (Allerdings nur, um Müller in seine Schranken zu verweisen "verbitte mir emails dieser Art...")
Schmitt darf sich jedoch -v.a. in Anwesenheit des Schulleiters- nicht wieder selbst schlecht machen und in Frage stellen! Nimmermehr nachfragen, was er denn alles falsch mache und wie Müller das denn meinte als er sagte... und was die Kinder denn genau zu Müller gesagt hätten, als...)

5. Platz für deine Ideen ; - )

Jméno
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von Jméno »

teacher_a hat geschrieben:Nun hat mich ein Kollege angesprochen, dass eine Klasse seiner Meinung nach ein Problem mit mir hat und sich eine halbe Stunde lang mit mir unter vier Augen darüber unterhalten wie toll er seinen Unterricht gestaltet und dass ich mir was überlegen muss, weil ich meinen Job sonst nicht 20 Jahre lang machen werde können.
Ich denke, bei einer Einschätzung herrscht hier Einigkeit, obwohl solche Ferndiagnosen natürlich immer schwierig sind: Dein Kollege, liebe teacher_a, hat da noch ein gewisses Potenzial nach oben was seine Empathie, Kollegialität und sozialen Kompetenzen angeht... um es mal pädagogisch korrekt zu formulieren. Weniger korrekt: Solche selbstverliebten Stinkstiefel laufen in den meisten Kollegien rum, wir alle kennen vermutlich so jemanden. Und sie nicht ernst zu nehmen, ist im Alltag deutlich leichter gesagt als getan.

Denn: Manche SuS entwickeln bizarre Vorlieben, wenn es um die Frage geht, wem sie vertrauen und wem sie sich anvertrauen; will sagen: Die Tatsache, dass er ein Stinkstiefel zu sein scheint, muss leider nicht zwingend ausschließen, dass sich tatsächlich ein Schüler oder eine Gruppe mit Gesprächsbedarf an ihn gewendet hat. Mir passiert sowas - als SV-Vertrauenslehrer - durchaus häufiger. Blöd, wenn sowas dann für Selbstprofilierung und Nörgelei genutzt wird, anstatt für lösungsorientierte Ansätze.

Insofern finde ich es den absolut klugen und richtigen Schritt, dass Du Deinen Unterricht evaluieren lässt. An meiner Schule findet sowas halbwegs regelmäßig statt, mithilfe eines standardisierten Bogens („Ich finde das Fach spannend“, „Ich finde den Unterricht bei dieser Lehrkraft spannend“, „Ich fühle mich gut auf Prüfungen vorbereitet“, „Ich fühle mich gerecht bewertet“, „Das gefällt mir am Unterricht“, „Das könnte man am Unterricht verbessern“ - so in etwa. Moderiert von den Klassensprechern, die Lehrkraft wartet ~15 Minuten vor der Tür).
…он је метафора, начин живота, угао гледања на ствари!

krabappel
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von krabappel »

Jméno hat geschrieben: mithilfe eines standardisierten Bogens („Ich finde das Fach spannend“, „Ich finde den Unterricht bei dieser Lehrkraft spannend“, „Ich fühle mich gut auf Prüfungen vorbereitet“, „Ich fühle mich gerecht bewertet“, „Das gefällt mir am Unterricht“, „Das könnte man am Unterricht verbessern“ - so in etwa. Moderiert von den Klassensprechern, die Lehrkraft wartet ~15 Minuten vor der Tür).
Finde ich befremdlich. Besonders in dieser Situation, da sich die TE unsicher fühlt und die Schüler wissen, dass es Unstimmigkeiten gibt.

Was soll denn da rauskommen?

"Ich finde das Fach spannend" nein. Tja, Pech gehabt.
"Ich finde den Unterricht bei Jméno spannend" nein. Und nun?
"Ich fühle mich gerecht bewertet" nö.

Wenn überhaupt, dann sachliche Kriterien. "Mir sind die Kriterien der Leistungsbewertung erläutert worden" und das weiß der Lehrer selbst.

Drops
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Re: Bin ich eine schlechte Lehrerin?

Beitrag von Drops »

Ich benutze einen sehr neutralen Evaluationsbogen:

1) Im Unterricht hat mir gut gefallen...
2) Im Unterricht hat mir nicht so gut gefallen...
3) Ich habe folgende Verbesserungsvorschläge...
4) Was ich sonst noch loswerden möchte...

Das Ganze auf 2 Seiten verteilt, je 1+2 auf der Vorder- und 3+4 auf der Rückseite und schon gibt's eine einigermaßen ausgewogene Rückmeldung, die sich insbesondere auf den Unterricht bezieht.

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