Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
User65
Beiträge: 741
Registriert: 17.08.2011, 16:03:15

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von User65 »

Ich finde deinen Anspruch, ein Erfolgsvorbild geliefert zu bekommen, im Prinzip gar nicht so überhöht, denn ich finde, dass man darauf als Auszubildender durchaus einen Anspruch hat. Das ist aber (leider) nicht die Realität. Im Hospitationsunterricht wirst du in der Regel so gut wie nichts für einen sehr guten UB lernen. Ich habe es sogar erlebt, dass der Unterricht der Fachseminarleiter alles andere als UB-tauglich war!

Hier trifft die pädagogisch-didaktische Ideologie des Seminarregimes auf die harte alltägliche Realität, in der man für fancy Sachen keine Zeit hat. Du lernst im Seminar nur, wie du eine (!) gute Unterrichtsstunde durchführst, aber nicht, wie du 26 Unterrichtsstunden pro Woche gut absolvierst. Hier liegt das ganze Problem.

Den Antagonismus kannst du nur überbrücken, indem du ihn anerkennst, und nicht versuchst, die beiden Pole zusammenzuführen. Das gibt dann sicher einen Kurzschluss.



Ziel deines Referendariats ist nicht, guten Unterricht zu machen, sondern dass zweite Staatsexamen im besten Fall mit 1,0 zu bestehen. Das solltest du immer vor Augen haben.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Skeet1414
Beiträge: 190
Registriert: 11.10.2010, 16:21:03
Wohnort: NRW

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von Skeet1414 »

User65 hat geschrieben:Ich finde deinen Anspruch, ein Erfolgsvorbild geliefert zu bekommen, im Prinzip gar nicht so überhöht, denn ich finde, dass man darauf als Auszubildender durchaus einen Anspruch hat. Das ist aber (leider) nicht die Realität. Im Hospitationsunterricht wirst du in der Regel so gut wie nichts für einen sehr guten UB lernen. Ich habe es sogar erlebt, dass der Unterricht der Fachseminarleiter alles andere als UB-tauglich war!

Hier trifft die pädagogisch-didaktische Ideologie des Seminarregimes auf die harte alltägliche Realität, in der man für fancy Sachen keine Zeit hat. Du lernst im Seminar nur, wie du eine (!) gute Unterrichtsstunde durchführst, aber nicht, wie du 26 Unterrichtsstunden pro Woche gut absolvierst. Hier liegt das ganze Problem.

Den Antagonismus kannst du nur überbrücken, indem du ihn anerkennst, und nicht versuchst, die beiden Pole zusammenzuführen. Das gibt dann sicher einen Kurzschluss.



Ziel deines Referendariats ist nicht, guten Unterricht zu machen, sondern dass zweite Staatsexamen im besten Fall mit 1,0 zu bestehen. Das solltest du immer vor Augen haben.
Das ist doch Blödsinn. Man lernt sehr wohl das ,,gute" Unterrichten - das Strukturieren, den Umgang mit der Klasse, etc. Übrigens auch und gerade durch ,,schlechte" Stunden im Hospitationsunterricht.

Ich spüre viel Zorn in dir, junger User65. Offensichtlich hattest du keine gute Ref.zeit - ich auch nicht. Aber der Sinn dieser Zeit hat sich mir doch erschlossen. Trotz all dem, was man hieran kritisieren kann/darf/muss.

Rotschreiber
Beiträge: 375
Registriert: 14.07.2008, 14:30:11
Wohnort: Lehrer im Gemeinsamen Unterricht (Grundschule NRW)

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von Rotschreiber »

Ich habe nach dem ersten Satz aufgehört zu lesen.

User65
Beiträge: 741
Registriert: 17.08.2011, 16:03:15

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von User65 »

Skeet1414 hat geschrieben:Das ist doch Blödsinn. Man lernt sehr wohl das ,,gute" Unterrichten - das Strukturieren, den Umgang mit der Klasse, etc. Übrigens auch und gerade durch ,,schlechte" Stunden im Hospitationsunterricht.

Ich spüre viel Zorn in dir, junger User65. Offensichtlich hattest du keine gute Ref.zeit - ich auch nicht. Aber der Sinn dieser Zeit hat sich mir doch erschlossen. Trotz all dem, was man hieran kritisieren kann/darf/muss.
Gemessen an dem, was andere so berichten, hatte ich durchaus eine gute Ref.zeit. Und teilweise waren die Anleitungen und Hinweise der Seminarleiter auch sinnvoll. Aber das reicht nicht. Mir wurde jedenfalls nicht beigebracht, wie man 25 Stunden pro Woche sinnvoll, ökonomisch und mit den vorhandenen Resourcen durchführt. Immer ging es nur darum, wie man eine Stunde optimal hinbekommt. Aber was bedeutet denn eine Stunde, ob sie nun gut ist oder nicht.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von krabappel »

Leute, was sind das eigentlich für Antworten? Ich meine, jemand beschreibt sehr konkret und differenziert sein Problem und bekommt als einziges zu hören "boah ey, was hastn du für Ansprüche?/ meinst du, du kannst alles besser?/ haja, später als Lehrer geht das und das halt nicht mehr/ Willkommen im realen Leben" bla bla blubb. Soviele Allgemeinplätze auf einem Haufen sah ich selten.

Um mal einen Vorschlag zu machen: suche dir konkrete Beobachtungsaufgaben für deine Hospistunden. Nicht so sehr konsumierend, im Sinne von: "mal sehen, was für ne tolle Methode lerne ich denn heute?" dann siehst du die Stunde aus deiner eigenen Schülersicht. Sondern solche Bereiche, die dir schwer fallen, Übergänge im Unterricht beispielsweise.

Klar, in einer Lehrprobe kann man schlecht sagen: rechnet Päckchen Seite 37-55. Aber du kannst auch nicht Methoden und Sozialformen permanent neu einführen. Es gibt ja nicht nur Extreme. Vielleicht kannst du dir selbst kleine Ziele setzen? Wenn du eine schöne, zielführende Reflexionsmethode gefunden hast, dann wende sie mehrmals an. Wenn du "mit dem Tischnachbarn arbeiten" gut anleitest und das klappt morgen immer noch, dann wage dich an irgendein anderes Gruppentralala. Wenn du nicht gut angeleitet wirst, mach dir selbst einen Förderplan.

Lysander
Moderator
Beiträge: 2579
Registriert: 07.02.2005, 14:43:42
Wohnort: NRW / Gy / E, Ge, Mu

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von Lysander »

Die Diskrepanz zwischen den Erwartungen des Seminars und der "Realität" ist so, war schon immer so und wird auch immer so sein.

Das kann man kritisieren, als Kardinalferhler etc. diffamieren, man kann es aber auch einfach als Ausgangsbedingung ansehen und entsprechend handeln.

Was heißt das konkret?
- es ist völlig legitim, dass seitens des Seminars so genannte "Laborstunden" erwartet werden, die 150% (oder mehr) dessen sind, was im Alltag läuft. Das ist ganz normal, denn schließlich muss man als Anfänger zunächst lernen - und da lernt man eben "Meisterstücke" zu produzieren. Weniger zu produzieren geht später immer - und muss später bei dem Gesamtpaket an Verpflichtungen so gehen. Und diesen Seminar-Standard darf man nicht absenken.

- die Kollegen an der Schule sind nicht alle per se unfähig. Dass sie anderen Unterricht zeigen, kann verschiedenste Ursachen haben - und sie sind ebensowenig pauschal auf persönliche oder fachliche Defizite der Lehrkräfte zurückzuführen.

- während des Refs. ist die Gelegenheit, neue Sozialformen etc. auszuprobieren und zu sehen, was gut klappt und was nicht. Finde Deinen eigenen authentischen Stil - und zeige in den Lehrproben dennoch genau das, was das Seminar sehen möchte.

- der Hospitationsunterricht bildet die Unterrichtsrealität ab, insofern kann der Unterricht keiner Laborstunde entsprechen. Dennoch findet man in jeder Stunde die eine oder andere brauchbare Inspiration. Das ist vielleicht auch eine Frage der persönlichen Haltung gegenüber den Lehrkräften.

- didaktische Literatur mit Tipps, Anregungen und konkreten Methoden gibt es in Massen. Lesen, überlegen, was gut ist, und anwenden.
Gruß
Lysander

Das beste Argument gegen Demokratie ist ein fünfminütiges Gespräch mit einem durchschnittlichen Wähler. (W. Churchill)

Kodi
Beiträge: 244
Registriert: 22.01.2010, 23:34:13
Wohnort: NRW, Realschule, Mathe/Physik

Re: Seminarerwartung - Realität im Hospitationsunterricht

Beitrag von Kodi »

Ich kann deine Probleme verstehen.

Der Idealunterricht des Seminars ist in der Praxis in den meisten Stunden nicht umsetzbar. Das empfand ich allerdings nur solange als belastend, bis mir klar wurde, dass die vehemente Verfechtung dieses Ideals nur dazu dient, die aus eigener Erfahrung als Schüler tief verankerten Unterrichtsmuster zu durchbrechen und zu ergänzen, sodass hinterher zumindest ein Teil der Stunden ähnlich der Seminarvorstellung gemacht wird. Das ist es auch, was ich bei den jüngeren Kollegen beobachte.
Ältere Kollegen haben in ihren Studienseminaren hingegen noch das Ideal des fragend entwickelndem Unterrichts kennengelernt. Entsprechend häufig kommt der dann auch vor.

Was du in jeder Stunde lernen kannst, egal wie sie methodisch oder didaktisch aufgebaut ist, dass ist wie man Classroom-Management in der Praxis durchführt. Das ist in meinen Augen auch das wichtigste im Hospitationsunterricht. Alle anderen Aspekte kann man selbst ausprobieren und sich Ideen dazu anlesen. Classroom-Management ist allerdings zum Teil so situations- und personenabhängig, dass man das nur in Praxis bei erfahrenen Lehrkräften lernen kann. Ich würde mich an deiner Stelle im Hospitationsunterricht darauf konzentrieren.

@Päckchenrechnen
Das ist in vielen didaktischen Seminaren der Uni und in vielen Studienseminaren verteufelt.
Allerdings wird dabei immer vergessen, dass man in Mathe erst Kompetenzstufe 1 beherrschen muss, bevor man Kompetenzstufe 2 lernen kann. Üben und die sichere Beherrschung von Rechenverfahren ist eine notwendige Voraussetzung bevor man höhere Aufgabentypen bearbeiten kann. Der Zweck des Päckchenrechnens ist das Einüben von Rechenverfahren. An der Stelle ist auch keine andere Methode erfolgreicher. Mehr leistet diese Methode allerdings auch nicht!

Antworten