Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen Weg??

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Stark
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Stark »

Bluebell hat geschrieben: Zusätzlich sitzen die ein gutes Stück weit im gleichen Boot wie eben all die Anglisten, Historiker und diverse Orchideenfächer, die abseits der Uni nun mal schlicht und einfach für kaum etwas durch ihr Studium qualifiziert sind sondern "irgendwie was mit Bildung, Sprachen oder Menschen oder so" machen wollen / sollen.
In dieser Ansicht stimmen wir ja überein. Ich finde aber eben, dass die Konsequenz aus dieser Erkenntnis nicht sein muss, dass man etwas "Brauchbareres" studieren sollte, sondern dass man sich eben schon während de Studiums - auch während des Lehramtsstudiums - nebenbei durch Praktika, Jobs etc. für andere Berufe in diesem Bereich qualifizieren muss. Unbedingt!
Die Arbeits- und Stundenbelastung ist ja nun in den Geisteswissenschaften während des Studiums nicht so schrecklich groß - verglichen mit den Naturwissenschaften beispieslweise, wo die Studeten Stunden im Labor verbringen. Da gäbe es durchaus Möglichkeiten!

Im Übrigen ist die Frage, wie weit entfernt "nur noch sehr entfernt" ist. Viele der Stellenauschschreibungen, die ich so gelesen habe, wollen beispielsweise nur ein geisteswissenschaftliches Studium - spezielle Fächer werden oft nicht erwartet.

Und in noch einer Hinsicht stimme ich dir zu: Studenten, v.a. Geisteswissenschaftler haben es später einmal schwer, wenn sie nur mit dem Studium anfangen, weil sie "irgendwas mit XY" machen wollen. Ohne klare Vorstellung steht man später sehr schlecht da. Das gilt auch (wieder) für Alternativen für den Lehrberuf, die man sich frühzeitig überlegen sollte, da nun einmal nicht jeder damit zufrieden ist, 40 Jahre vor pubertierenden Jugendlichen zu stehen.

Bluebell
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Bluebell »

In dieser Ansicht stimmen wir ja überein. Ich finde aber eben, dass die Konsequenz aus dieser Erkenntnis nicht sein muss, dass man etwas "Brauchbareres" studieren sollte, sondern dass man sich eben schon während de Studiums - auch während des Lehramtsstudiums - nebenbei durch Praktika, Jobs etc. für andere Berufe in diesem Bereich qualifizieren muss.
Ja, da kann ich Dir vollkommen zustimmen. Ich würde ja auch niemandem prinzipiell von einem geisteswissenschaftlichen Studium abraten.

Ich fürchte aber schon, dass es immer noch sehr viele Leute gibt, die mal fröhlich drauflosstudieren. Es wird ja immer geraten, prinzipiell das zu studieren, was einem Spaß macht. Was natürlich auch stimmt, denn ohne Interesse am Fach wird es sehr schwer, das Studium durchzustehen.
Aber ich finde es wirklich ein Stück irreführend, es so darzustellen, dass "man schon immer irgendwie unterkommt mit einem Studium" weil man da ja "so tolle Schlüsselqualifikationen erwirbt". Und dann werden eben immer diese typischen Berufsfelder angeführt. Und dass er oder sie sich bloss nicht abschrecken lassen soll, obwohl es nicht so leicht ist. Also, allein von den Zahlenrelationen muss doch klar sein, dass es eine Menge Leute gibt, die eben ganz woanders unterkommen müssen, und dieses Risiko sollte meiner Meinung nach nicht kleingeredet werden. Ergo müssen sich diese Leute auch klar sein, dass es auch auf einen Plan C, D, E oder F herauslaufen kann, der dann vielleicht überhaupt nichts mehr mit Germanistik zu tun hat. Und dann offen sein für alles was möglich ist.

Auch wenn das Studieren an sich schön ist und die Geisteswissenschaften ganz besonders, reicht es eben nicht, einfach mal so aus Spaß an der Sache zu studieren, ohne sich frühzeitig darüber Gedanken zu machen, was man denn damit machen könnte. Man muss konkrete Pläne machen und konkrete Vorbereitungen treffen.

Ganz ehrlich, was da an den Unis an "berufsfördernden Kursen" angeboten wird, ist doch größtenteils lächerlich. Mal einen Schnupperkurs Personalführung, ein Wochenende lang, solche Sachen. Man muss wirklich in dem Bereich arbeiten oder sich ein vernünftiges Nebenfach suchen, sonst steht man am Ende dann da und hat es eben doch richtig schwer... und selbst was die Arbeitsfelder nah am studierten Bereich angeht, sollte man da sehr früh Praxisluft schnuppern und herausfinden, ob einem das überhaupt liegt. Weil das ja auch nur noch indirekt mit dem zu tun hat, was man da im Studium tut.

Ich finde ja, so viel man über die Bachelor-Studiengänge schimpfen kann, einen großen Vorteil haben sie: so einen Bachelor hat man relativ schnell durch, und danach hat man noch mal eine Chance, sich neu zu orientieren, ohne das bisher studierte ohne Abschluss abbrechen zu müssen.
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

Stark
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Stark »

Bluebell hat geschrieben: Ganz ehrlich, was da an den Unis an "berufsfördernden Kursen" angeboten wird, ist doch größtenteils lächerlich. Mal einen Schnupperkurs Personalführung, ein Wochenende lang, solche Sachen. Man muss wirklich in dem Bereich arbeiten oder sich ein vernünftiges Nebenfach suchen, sonst steht man am Ende dann da und hat es eben doch richtig schwer... und selbst was die Arbeitsfelder nah am studierten Bereich angeht, sollte man da sehr früh Praxisluft schnuppern und herausfinden, ob einem das überhaupt liegt. Weil das ja auch nur noch indirekt mit dem zu tun hat, was man da im Studium tut.
Ja, allerdings finde ich, dass man von erwachsenen Menschen (=Studenten) schon erwarten kann, dass sie sich selbst um ihre Qualfizierung kümmern - eben durch die Praxisluft. Es kann nicht Aufgabe der Unis sein, die Studenten in diese Richtung zu treiben - schon gar nicht in Massenfächern wie Germanistik. Und mal ganz ehrlich, was da in meinem Seminaren zum Teil für Flachpfeifen saßen... da hat man schon gemerkt, dass Germanistik nur Verlegenheitslösung war. Für solche Absolventen ist dann wahrscheinlich auch gar nicht so schlimm, wenn sie nicht in einem germanistischen Beruf landen.

Stark
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Stark »

Nur mal als Beispiel, weil du nach konkreten Stellenausschreibungen abseits von Verlag und Zeitung gefragt hast. Derzeit bei der KMK:
(http://www.kmk.org/presse-und-aktuelles ... ktika.html)
Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter im Auslandsschulwesen (Deutsches Sprachdiplom)

Das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz ist ein schulisches Programm mit abschließender Prüfung, das in mehr als 60 Ländern angeboten wird. Seit 2006 wird das Deutsche Sprachdiplom der Kultusminsterkonferenz (Stufe I) als Länderprojekt in Frankreich angeboten - hier nehmen jährlich rund 30.000 Schülerinnen und Schüler an den abschließenden Prüfungen teil. Das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz ist eine gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern.

Zur Unterstützung der administrativen und pädagogischen Begleitung des Projekts sucht das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland für das Referat II C – Auslandsschulwesen - zum nächst möglichen Zeitpunkt am Dienstort Berlin eine/einen:

Sachbearbeiterin/Sachbearbeiter
Entg.Gr.9 TV-L Berlin
Kennziffer 31/2013

mit 38,46 % der Wochenarbeitszeit (derzeit 15 Stunden)

Die Stelle ist befristet bis zum 30.09.2014.

Arbeitsgebiet: Unterstützung der Projektleitung, insbesondere bei der Vor- und Nachbereitung von Sitzungen; Anfertigung von Arbeitsübersetzungen Deutsch-Französisch-Deutsch und Mitarbeit am Schriftverkehr; Prüfung und Aufbereitung von Statistiken über die Prüfungsergebnisse; Informationsrecherche (Aktenrecherche und Internet); Prüfung und Vervollständigung von Akten sowie Aktenablage; weitere Aufgaben nach Zuweisung durch die Projektleitung

Anforderungen: Abgeschlossene Ausbildung (FH-Abschluss/Bachelor-Studium) im Bereich Pädagogik, Romanische Philologie/Frankreichstudien, Sozialwissenschaft oder in eng verwandten Studiengängen; Französischkenntnisse mindestens auf Niveau C1; Erste Erfahrungen im Projetkmanagement sowie Kenntnisse der französischen Bildungslandschaft sind von Vorteil; Interesse an den Themen Bildung, Schule, Migration und Außenpolitik wird vorausgesetzt; sehr gute Kenntnisse und Erfahrungen im Einsatz der EDV (MS Office).

Neben dem Entgelt nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TV-L)¬ werden die sonst im öffentlichen Dienst üblichen Sozial¬leistungen gewährt.

Schwerbehinderte Menschen werden bei gleicher Eignung bevorzugt berücksichtigt. Bewerbungen von Menschen mit Migrationshintergrund, die die Einstellungsvoraussetzungen erfüllen, sind ausdrücklich erwünscht.

Die Auswahlentscheidung wird im Rahmen eines strukturierten Auswahlverfahrens getroffen.

Wir freuen uns auf Ihre aussagekräftige Bewerbung auf dem Postweg (Bewerbungen per E-mail können nicht berücksichtigt werden) unter Angabe der Kennziffer bis zum 13.12.2013 an das

Sekretariat der Kultusministerkonferenz
Referat I B
Graurheindorfer Straße 157, 53117 Bonn
Die Anforderungen (von mir hervorgehoben) sollte jeder Erfüllen, der ein 1. Staatsexamen in Franzöisch hat. Nur so als Beispiel. Jetzt kann man sich natürlich überqualifiziert fühlen - und ich würde auch nicht aus dem Schuldienst auussteigen, um so eine Stelle anzunehmen - aber für jemanden, der das Ref abbrechen oder gar nicht erst antreten möchte, wäre das in jedem Fall mal besser als bei Lidl an der Kasse. Und intern kann man sich dann bei einer Ausschreibung auf eine höhere Stelle bewerben.
Wie gesagt, das ist nicht gerade der heilige Gral, aber mir geht es ja darum zu zeigen, dass es eben abseits der gängigen Ideen auch Arbeitgeber für Geisteswissenschaftler gibt.

Bluebell
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Bluebell »

Ähhh... ja. Es ist eine Möglichkeit.

Aber ich fasse mal zusammen:
Wenn ich den Job überhaupt kriegen würde (und in Berlin ist die Arbeitslosigkeit auch nicht gerade niedrig), müsste ich dafür ans andere Ende der Republik ziehen (also mein gesamtes Leben hier aufgeben), für einen
- Job der auf weniger als 1 Jahr befristet ist
- mit einem Gehalt von (hab´s mit dem online-Rechner grad mal ausgerechnet) 904 Euro Brutto.

Erfüllt das nicht genau die Definition von "prekäre Verhältnisse"?

Immerhin besser als ein unbezahltes Praktikum ;). Und bei 15 Stunden die Woche kann man dann ja noch nebenbei bei Aldi an der Kasse arbeiten... also, als Notnagel wär´s ne Option...
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

User65
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von User65 »

Bluebell hat geschrieben:Die Zukunftsperspektiven mit Fächern wie Englisch und Deutsch sind tatsächlich ziemlich problematisch. Zwar ist die Arbeitslosigkeit unter Akademikern immer noch sehr niedrig, aber gerade Englisch und Deutsch sind wirklich Allerweltsfächer, die einen effektiv zu gar nix ernsthaft qualifizieren. Mit Englisch bist Du noch nicht mal zum Dolmetscher geeignet, denn für Dolmetscher gibt es eigene Studiengänge, und das Englisch das Du dafür brauchst bekommst Du an der Uni i.A. nicht beigebracht. Leute mit solchen Fächern müssen sich nachher irgendwie einen Platz in der Welt erkämpfen, mit sonstigen Qualifikationen, die sie mitbringen und die in der Uni evtl. mehr zufällig noch gestärkt wurden. Leute die gut labern können und sich (oder Dinge) gut verkaufen können kommen immer irgendwie unter. Wenn man das nicht kann, wird es richtig schwierig. Viele andere krebsen vor sich hin, prügeln sich mit sehr sehr vielen Mitbewerbern um schlecht bezahlte Stellen in Verlagen, Zeitungen o.ä. oder leben effektiv vom Gehalt des Partners.
Sehr schön treffend auf den Punkt gebracht. Ich behaupte einfach mal, dass die Arbeitslosigkeit unter Akademikern gerade deshalb relativ niedrig ist, weil sie besonders tief sinken müssen, um langfristig arbeitslos zu werden. Im Gegensatz zum radebrechenden Migranten ohne Hauptschulabschluss und mit Kompetenz zur Kleinkriminalität findet sich meistens irgendein Job. Und ein Taxifahrer ist ja auch nicht arbeitslos... Um den (merkantilen) Wert eines geisteswissenschaftlichen Abschlusses festzusetzen, sollte man nicht die Arbeitslosenquote heranziehen sondern das Einkommen im dritten Jahr nach Universitätsabschluss. Liegt es dann nicht sehr viel höher als das eines angestellten Maurermeisters hat sich der Abschluss definitiv nicht gelohnt.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

kecks
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Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von kecks »

mei, was ist prekär. da gibt es noch ganz andere. klar, reich wirst du nicht. aber diese stellen sind oft die sprungbretter für unbefristete sachen in vollzeit mit anständiger bezahlung (meist orientiert and tvl). umziehen durch die ganze republik ist völlig normal und z.b. bei unistellen unabdingbar. wenn man das nicht machen möchte, dann kann man im bereich medien/kultur/agentur kaum einen fuß auf den boden bekommen (außer man wohnt schon in münchen, köln, hamburg, evtl. berlin). die ausgeschriebene stelle wirst du nicht bekommen, wenn du das nicht wirklich machen *willst*. wenn du was wirklich spannend findest, dann kommst du da auch irgendwann unter. alternativ kann man freilich auch den punkt 'spannend' abhaken, sich sagen "ich bin nicht mein job" und die aldi-kasse bedienen (die zahlen recht gut) oder irgendwo im büro teamassistenz machen. das ist natürlich auch legitim. oder gleich selbstständig machen und auf einkommensmix setzen. letztlich eine typfrage - was dem einen taugt, ist für den anderen der horror pur. literaturtipp dazu: "wir nennen es arbeit".

ps: wer den "wert" seines abschlusses ausschließlich am einkommen im dritten jahr nach abschluss misst, der hat mein beileid. mit dieser haltung sollte man medizin, bwl oder jura studieren, alternativ eine ausbildung im handwerk/bank anstreben. kann man machen, muss man gottseidank nicht. wer bildung nicht als priorität betrachtet (vor ausbildung), der ist in geisteswissenschaftlichen studiengängen vollkommen falsch.

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