Nach dem Ausstieg aus dem Referendariat

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Tanja

Exakt!

Beitrag von Tanja »

>>>Würde ich auch Lehrer werden wollen, wenn es weniger Ferien, weniger Gehalt und keine Beamtung ( was in Zukunft ja durchaus sein kann) gäbe?<<<

Hallo Fara77,

das ist die beste Frage, die man allen Lehramtsanwärtern von Beginn an stellen sollte. Nicht vor dem Studium, aber spätestens vor dem Vorbereitungsdienst! Als Seiteneinsteigerin habe ich mich damals von den vielen Gerüchten rund um den Lehrerberuf blenden lassen und bin dem ausgerufenen Notstandsalarm unserer Bezirksregierung gefolgt, der zuvor in den Medien breit getreten wurde.

"Hilfe! Deutschland sucht verzweifelt Lehrer. Jeder Akademiker kann sich bewerben …"

Ein Umstand, der in keinem anderen Berufszweig zu finden ist. Auch 2005 und in den nächsten Jahren ist der Notstand für Sek I und Sek II in vielen Fächern akut, doch viele sehen heute schon ein, dass sie als Lehrer nicht glücklich werden können. Sie springen ab, nachdem sie ihre Vorstellungen nicht mit der Realität vereinbaren können und die Bezirksregierung in Köln kann davon ein Lied singen. Insbesondere die FH-Diplomer sind im Vorbereitungsdienst nur Zaungäste, die auf bessere Gelegenheiten warten und dann schnell weg sind. Kein Wunder, denn ihr Studium hat 90% Bezug zur Praxis und diese Kenntnisse sind eben in Unternehmen gefragt, aber selten an Schulen. Das schafft Konflikte, wie ich sie selbst erleben durfte.

Paradox: Obwohl FH-Diplomer optimal für Berufsschulen geeignet wären, wird ihnen der Zugang dazu erschwert. Und in Sek I sind sie fachlich hoffnungslos unterfordert, was schnell dazu führt, den Lehrerjob an den Nagel zu hängen.

Die entscheidenden Zugpferde für diesen Beruf waren eben:

- Beamtenstatus (Job und Sicherheit)
- Ferien (Freizeit)

Das Einkommen in Sek I hat im Vergleich zu o. a. Punkten weniger Zugpferdfunktion, als die Sicherheit, sein Geld pünktlich zu erhalten. "Gut" bezahlt werden Lehrer jedoch erst ab A13+ und aufwärts. Doch dafür wird auch einiges verlangt.

Von meinen Bekannten habe ich damals Mut ausgesprochen bekommen als ich ihnen mitteilte, dass ich als Architektin nun Lehrerin werden wollte.

Heute weiß ich, dass es nur Mitleid war.

Schönes Wochenende
Tanja

Abgeschossener Referendar

Nach dem Abschuß durch den Schulleiter nach dem 2. Jahr

Beitrag von Abgeschossener Referendar »

Liebe Leute,

durch Zufall bin ich hier hereingestolpert. Ich bin vor knapp zwei Jahren vom Schulleiter meiner 2. Ausbildungsschule auf hinterhältigste Art und Weise aufgrund von Fehlinterpretationen, böswilligen Gerüchten und einer miserablen Ausbildung an den beiden Ausbildungsschulen abgesägt worden, weil ich offen gezeigt habe, daß ich wenigstens im 2. Ausbildungsabschnitt endlich unterrichten lernen möchte. Daß ich etwas lernen wollte, hat nach unbezahlter Arbeit gerochen - da haben es sich die Herrschaften eben einfach gemacht.
Danach hatte ich diese Kloake satt.

Um genau zu sein, bin ich also nicht wirklich ausgestiegen, sondern eher ausgestiegen worden.

Im Prinzip kann ich das, was der ehemalige Lehrer sagt, nur bestätigen.
Viele Leute reagieren mit ungläubigen Kopfschütteln darauf, wenn man sagt, daß man nicht Lehrer geblieben ist.
Auf die Frage, wie es einem so geht, würde man am liebsten im Boden versinken und lügt, daß sich die Balken biegen.

Ich habe mich für lange Zeit völlig zurückgezogen. Etwa ein halbes Jahr nach dem Ref. ist meine Beziehung an dem ganzen Mist kaputtgegangen. Bin bewußt nicht zum Psychologen gegangen, weil ich mich während der gesamten "Ausbildung" nur über diese Leute aufgeregt habe. Das hätte nur Wunden aufgerissen.
Ich habe traumatische Erinnerungen an den Tag, an dem ich durch einen dummen Zufall im Seminar von meinem Abschuß durch den Schulleiter erfahren habe und vor allem an das anschließende heuchlerische Gespräch beim Schulleiter, der mir einreden wollte, daß ich Wahrnehmungsprobleme hätte, durch die ich auch meine Mißerfolge nicht wahrnähme. Und ohne Erfolgserlebnisse wäre ich als Lehrer ja schrecklich unglücklich. Tja - mit dem Denken hatte er es offenbar wohl nicht so sehr :lol:.
Ich habe mir diesen Quatsch einfach angehört und bin auch mit einem freundschaftlichen Händedruck hinauskomplimentiert worden. Ich rege mich heute noch täglich darüber auf.

Die Erinnerungen daran kommen ständig wieder hoch und ich konnte mich für lange Zeit auf fast nichts mehr richtig konzentrieren. Habe sehr häufig Selbstmordgedanken gehabt.
Für mich ist ein Lebensziel zerstört worden und ich musste für das, was mir damals wichtig war, bitter büßen. Ich war gerne Lehrer, nicht, weil mein Unterricht so gut funktioniert hätte (was häufig wirklich nicht der Fall war, aber manchmal eben doch ! Das, was wichtig war, kam schon rüber) sondern weil ich in der Gesellschaft etwas bewegen konnte und auch in geringem Maße bewegt habe. Ich konnte wertvolle Menschen mit-bilden. Wertvoll heißt für mich nicht, daß es auch wertlose Menschen gäbe, sondern wertvoll heißt für mich, daß sie ein Wertsystem haben - und dahinter stehen - mit Rückgrat eben. Wie soll ich denn dafür ein glaubwürdiges Vorbild sein, wenn ich selbst bis zur totalen Selbstentstellung kriechen muß, um die Lügen meiner Vorgesetzen aufrecht zu erhalten ? Ich glaube, das ist ein Teilaspekt dessen, was man unter sozialer Kompetenz versteht und das sollen die Schüler lernen. Gut - verstanden. Kriechende Lehrer sind als Vorbilder unerläßlich :evil: .

Damals habe ich sehr vieles verstanden.
Beispielsweise, warum die Psychotherapiepraxen voll sind, warum die Spaßgesellschaft Hochkonjunktur hat und warum Kultur hierzulande zu einem Selbstbedienungsladen für Beliebigkeit verkommen ist. Da ist die Schule keineswegs unschuldig !

Inzwischen schreibe ich an meiner Dissertation. (Wenn man die richtigen Fächer studiert hat, dann kann es eben doch sein, daß einem das Studium noch was nützt)
Wie und ob es danach weitergeht, weiß ich noch nicht, aber das wird man sehen. Jedenfalls rückt die Schule inzwischen in weite Ferne und ich denke, daß ich irgendwann entweder einsehen muß, daß wirklich alles umsonst war und dann durch das Netz falle, oder daß ich mich irgendwann über diese Leute, die mir das angetan haben, krank lachen werde.

Ob ich Kinder will, denen ich das, was ich in der Schule gesehen habe, zumuten soll, weiß ich noch nicht so genau.

Ich hoffe, daß ich nicht nicht zu sehr am Thema des Threads vorbeigeredet habe, aber ich sehe die Sache eben in einem größeren Zusammenhang (ganz "undifferenziert :) - viel Spaß beim Diskutieren - wie wär's mit 'ner kleinen Expertenrunde zu dem Thema ?).

Klaus

Meinung zu Sebbi

Beitrag von Klaus »

Im Gegensatz zu Sebbi halte ich das Lehramtsstudium für wertlos im folgenden Sinne. Mit den meisten Fächern bekommt man in der freien Wirtschaft keinerlei Job, höchstens noch mit Mathe / Physik / Chemie / Informatik. Hägnt man einen Doktor hinterher, dann geht es wieder. Nur dafür muss man erst einmal einen Doktorvater finden, der einen ohne Magister / Diplom o.ä. promovieren lässt.

Elise

Beitrag von Elise »

@Abgeschossener Referendar: Die Schule und das SEminar haben dich gemeinsam "an die luft gesetzt", weil du ihnen "unbequem" erschienst? Oder was denkst du, war der wahre Grund? Waren die der Meinung, dass du nicht unterichten kannst und es auch nicht lernen wirst? Eigentlich kann man doch im Ref nicht so ohne weiteres an die Luft gesetzt werden, oder? Meines Wissens muss man doch selbst kündigen, wenn man nicht mehr weitermachen will/kann, aber hinauswerfen können sie einen doch nicht? Dachte ich immer. Vielleicht variiert das auch von Bundesland zu Bundesland.
An alle, die behaupten, das Studium etc., sei nichts wert: Ich kenne keinen einzigen ehemaligen Referendar, der durch das"Netz gefallen" ist. Alle, die ich kenne, die nicht ins Lehramt sind, haben andere Jobs angenommen, bzw. auf ihr Studium aufgebaut, eine Weiterbildung gemacht oder etwas ganz neues angefangen.
@Garfield:Wir meinten in diesem Thread vorher lediglich, dass es keinem hilft, hier einen lähmenden Pessimissmus zu verbreiten. Wir haben nicht abgestritten, dass es Schicksalsschläge gibt, wollten diese auch nicht kleinreden. Aber ein konstruktives Weitermachen hinterher bringt doch jedem mehr, als sich zu verkriechen und zu sagen: mein Leben ist versaut.

@Tanja: Es freut mich, zu hören, dass man in diesem Staat doch nicht verhungern zu müssen scheint, auch wenn es manchmal länger dauert. Mich hätte es auch sehr gewundert, wenn du einfach gar nichts bekommen hättest. Auch bei diesem Fall kenne ich einige ehemalige REfs/Lehrer, die dieses Geld beziehen. Ich finde es auch absolut verständlich, dass man es erst einmal in Anspruch nimmt, bis man einen sinnvollen Job gefunden hat.

Warum ich das alles schreibe? Ich werde nach dem Ref mit dem Unterrichten aufhören. Habe mich im Bekanntenkreis umgehört und gemerkt, dass man nicht total schwarz sehen muss, nur weil man seinen Kurs ändert. Ein Lehramtstudium ist nicht "nichts", man hat dabei auch wichtige KOmpetenzen erworben, die man im Arbeitsleben nutzen kann.

Einseitige Schwazseherei bringt keinen weiter. Meine two cents....

Gruß Elise

Elise

Beitrag von Elise »

@Klaus. Wieder das typische gängige Vorurteil. Anhand mehrerer von mir beobachteter Schciksale schließe ich daraus, dass das nicht stimmt. Man ist mit deinen zitierten Fächern auf dem Arbeitsmarkt am begehrtesten, das heißt noch lange nicht, dass man mit den anderen Fächern nichts bekommt. Oder sind meine ganzen Bekannten etwa nur Erscheinungen? Das mit dem Doktor stimmt auch nicht. Man kann sehr wohl mit dem 1. Staatsexamen einen Doktor machen.

phaidoni

Referendare als Problem

Beitrag von phaidoni »

Ich kann das Schicksal des "Abeschossenen" schon nachvollziehen. An meiner sogenannten "Ausbildungsschule" wird es nämlich auch nur als "unbezahlte Arbeit" empfunden, wenn ein Referendar etwas lernen möchte und von seinem Recht auf Ausblidungsunterricht Gebrauch macht. An meinem ersten Tag an der Schule sagte mir ein Lehrer, der mein Mentor hätte sein sollen: "Gehen sie zu einem anderen, bei mir lernen Sie sowieso nichts." Seit ich mich über diese Haltung beim Seminar beschwert habe, mag mich mein Schulleiter nicht mehr. Wenn man als Referendar ein Problem hat, ist man eben ein Problem.
Ansonsten teile ich die Meinung einiger Poster, dass man durchaus auch ohne Referendariat bzw. mit Lehramtsstudium etwas werden kann - bei Geisteswissenschaftlern ist das Staatsexamen sogar noch anspruchsvoller als der Magisterabschluss.

Autodidaktin

Re: Referendare als Problem

Beitrag von Autodidaktin »

phaidoni hat geschrieben:. An meinem ersten Tag an der Schule sagte mir ein Lehrer, der mein Mentor hätte sein sollen: "Gehen sie zu einem anderen, bei mir lernen Sie sowieso nichts." Seit ich mich über diese Haltung beim Seminar beschwert habe...
Das ist ja ein ganz schön starkes Stück. Habe ich aber ähnlich erlebt. Zu mir meinte eine Lehrerin einfach, sie nehme grundsätzlich keine Referendare mit. Eigentlich muss ja der Schulleiter auch Sorge tragen, dass der Ausbildungspflicht nachgekommen wird. Man muss sich eben doch im Ref fast alles selbst beibringen, das ist mir auch schon aufgefallen.

Gruß

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