Zu große Defizite?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Lili215
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Registriert: 28.11.2014, 19:35:58

Zu große Defizite?

Beitrag von Lili215 »

Hallo liebe Referendare,

ich bin momentan etwas in einer Pattsituation und weiß nicht mehr genau wie ich weitermachen soll.
Ich habe letzten September meine Ref. angefangen und es passt vorne und hinten nicht mit der Zeitplanung. In verschiedenen Foren habe ich gelesen, dass andere Referendare max. 40-50 Stunden die Woche arbeiten und ich kriege es einfach nicht hin.

Ich habe an der Uni das Fach Geschichte und Sonderpädagogik studiert und fühle mich absolut nicht gut vorbereitet. Fast alles was man in den Seminaren gemacht hat handelte davon irgendwelche spezifischen Themen auseinander zu nehmen, wie z.B. die Bauernordnung des Studienortes zu analysieren und darüber eine Hausarbeit zu schreiben. Dinge, die mir für den Unterricht nichts bringen. In den wenigen Geschichtsdidaktik und -methoden Seminaren ging es dann ausschließlich um Unterricht an Regelschulen. Viele der Methoden kann ich schon gar nicht anwenden, weil es selbst die Schüler der 8. Klasse überfordert einen Text zu lesen der länger als 6-7 Sätze ist. Schon mal ganz davon abgesehen, dass so etwas wie „Wichtiges in Bezug auf eine Fragestellung unterstreichen“ und „textbezogene Fragen“ beantworten kaum geht. Das alleine wäre schon eine Stunde für sich Wert, ohne noch Themeninhalte zu vermitteln. Jede Woche scheitere ich daran, dass ich nicht weiß, wie ich die Schüler ein Thema eigenständig erarbeiten lassen soll, ohne das sie lesen, einen Film schauen oder sich einen Lehrervortrag anhören. Bildergeschichten und Rollenspiele habe ich schon ordentlich ausgereizt. Im Praktikum habe ich nur solche Themen wie „Dinosaurier“ und „Steinzeit“ mit jüngeren Schülern gemacht. Bei Dingen wie Weimarer Rep. und Drittes Reich komme ich da aber mit den Methoden nicht mehr weiter (vor allem, weil es ja auch um politische Strukturen geht und nicht mehr darum wie man ein Mammut erlegt).

Hinzu kommt, dass ich nur sehr wenig Geschichte unterrichte, da es dieses Fach kaum in höheren Klassen gibt und ich damit niemals auf 12 Stunden die Woche komme. Ich habe Mathe als Nebenfach und mache jetzt noch Sachunterricht in den Klassen 2-3. Zwei Fächer, von denen ich absolut keine Ahnung habe und bei denen die Ausbildung so aussieht das man einmal im Monat 3 Stunden Seminarsitzung hat. Dort werden aber auch keine Basics besprochen, da man ja mit den Leuten zusammenarbeitet die Mathe studiert haben.

Ich brauche für eine Unterrichtstunden min. 2 Stunden Vorbereitung, da ich mir jedes Thema neu aneignen muss, dann eine Methode finden muss, die für meine Klasse angebracht ist und dann noch den Großteil der Materialien selbst basteln und entwerfen muss. Dazu kommen noch 9 Stunden Seminar jede Woche + Fahrzeiten von 9-10 Stunden die Woche, weil Seminar und Schule weit auseinander liegen und ich auch nicht direkt an der Schule wohne. Das sind alleine 54 Stunden um den normalen Berufsalltag am Laufen zu halten. Elternabende, Konferenzen, Seminarpräsentationen nicht eingerechnet.

Da Seminar und Schule außerdem so weit auseinander liegen und die Anbindung per Zug, Bus und S-Bahn min. 2 Stunden pro Strecke dauert, musste ich mir ein Auto zulegen. Jetzt zahle ich alleine 450€ im Monat für Autorate, Versicherung und Benzin. Das ist fast die Hälfte meines Einkommens. Dadurch konnte ich mir keine Wohnung leisten und muss nun bei meiner Mutter in der Dachbodenwohnung wohnen. Das ist für mich echt belastend, weil wir uns schon lange nicht mehr gut verstehen und ich permanent gestresst bin.

Was mir heute aber den Rest gegeben hat war mein zweiter Unterrichtsbesuch. Im ersten Unterrichtsbesuch war vieles okay. Es wurden ein paar Sachen nett angesprochen. Der Verlaufsplan war in Ordnung. Mir wurde von meinem Leiter gesagt, dass es völlig okay ist sich auf (seriöse) Internetseiten zu stützen, weil die Bibliothek für mich kaum erreichbar ist, außer an den Tagen wo ich Seminar habe. Jetzt hatte ich einen zweiten Besuch von jemand anderen und plötzlich war alles nur noch eine Katastrophe.
Das Vorgehen bei der Vermittlung der Themen war völlig falsch (obwohl ich das extra nach der Empfehlung von zwei verschiedenen Betreuern aufgebaut hatte). Seriöse Internetseiten waren auf einmal nicht mehr okay und wenn man keine Zeit hat die Fachbücher aus der Bibliothek zu holen, dann muss man sich sie kaufen.
Das Thema war nicht gut genug vorbereitet, so etwas muss ich in der Uni gemacht haben und das muss schon alles sitzen, damit nur noch das Feintuning von Methoden und Themenwahl im Ref. stattfindet.
Ich finde diese Kritik auch nicht unangebracht. Ich verstehe, dass es wichtig ist sich jede Unterrichteinheit erst mal viele, viele Stunden mit dem Thema zu beschäftigen und in Hausarbeiten hat man ja auch gelernt wie man sich ein Thema erschließt. Ich weiß nur nicht mehr wo ich es hinschieben soll. Theoretisch muss ich mir nicht nur Mathe als Fach neu erschließen, sondern Sachunterricht auch.
Mir wurde dann wenigstens gesagt, dass ich da einen Rückstand habe, der nur schwer aufzuholen ist (was mir im ersten Unterrichtsbesuch und 4 Unterrichtspraktika niemand gesagt hat. Da war mein Unterricht immer okay).

Jetzt bin ich gerade echt am Zweifeln. Ich mag den Job wirklich gerne und in den Schulpraktika habe ich mich jeden Tag wieder auf die Schule gefreut. Auch jetzt merke ich, wenn es gut läuft und wen ich alles bearbeitet kriege, wieviel Spaß mir das macht und wie toll es ist, dass ich dafür auch noch bezahlt werde. In der aktuellen Situation habe ich aber eher Zweifel ob ich das ganze bis zum Ende durchziehen kann.

Eine Freundin hat den Vorschlag gemacht erst mal alle Hobbies und anderen Dinge liegen zu lassen und mehrere Monate nur jeden Tag 16 Stunden für die Schule zu arbeiten, um da voran zu kommen.
Ist das ein Weg?

Wie macht ihr das mit dem fachfremden Unterricht? Plant ihr den schon 3-4 Wochen vorher und holt euch dann gleich Fachwerke die ihr dann jeden Tag noch 2-3 Stunden wälzt?

Momentan weiß ich echt nicht ob ich meine Defizite noch aufholen kann oder ob ich mich 1,5 Jahre quäle um am Ende nicht gut genug zu sein.

donaldinho
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Re: Zu große Defizite?

Beitrag von donaldinho »

Bin in der Berufsbildung und werde/ wurde, auch schon im Ref, häufig mal fachfremd eingesetzt.

Wenn du mit der Erstaneignung der Inhalte viel Zeit investieren musst, solltest du die Sachen methodisch erstmal simpel halten.

16 Stunden am Tag arbeiten - das ist sicher kein Weg. Glaub mir: du sitzt nur so lange, weil du falsche Prioritäten setzt, an Kleinigkeiten ewig herumfeilst usw usf.

Den Fehler habe ich auch gemacht. Entspann dich mal, geh die Sache lockerer an..... ist leicht gesagt, ich weiss. Kommt wahrscheinlich von selbst.

Habe heute mit 26 Stunden gefühlt auch nur noch halb soviel Stress wie im ersten RefJahr mit 12 Unterrichtsstunden. Kann dir selber nicht genau sagen, was da passiert ist. Irgendwann greifen halt Automatismen, die Routine kommt rein. Vertrau dir einfach selber, das wird schon.

Bis dahin: Arschbacken zusammenkneifen. In der Sonderpädagogik hast du gute Chancen und wir Lehrer werden super bezahlt.

Habe die Sache vor zwei Jahren auch noch verflucht, heute liebe ich den Job und sehe ihn ein Stück weit sogar als Privileg!

phstudent
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Re: Zu große Defizite?

Beitrag von phstudent »

donaldinho hat geschrieben:Habe heute mit 26 Stunden gefühlt auch nur noch halb soviel Stress wie im ersten RefJahr mit 12 Unterrichtsstunden. Kann dir selber nicht genau sagen, was da passiert ist. Irgendwann greifen halt Automatismen, die Routine kommt rein. Vertrau dir einfach selber, das wird schon.
Geht mir auch so. Ansonsten halte ich die Idee nur noch für die Schule zu leben und Hobbys und ähnliches ganz wegzulassen für die denkbar schlechteste. Denn du brauchst auch einen Ausgleich, auch wenn natürlich klar ist, dass es im Ref vllt. etwas eingeschränkter der Fall ist als vorher oder nachher.

borisboris
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Re: Zu große Defizite?

Beitrag von borisboris »

Hier mal einige Tipps, vielleicht kannst du mit dem ein oder anderen ja etwas anfangen.

- Du musst Prioritäten setzen. Versuch auf bereits vorhandenes Material zurückzugreifen, aus Zeitschriften, Lehrerbänden, etc.
- In der inhaltlichen Vorbereitung reicht es in der Anfangszeit, den Schülern 1-2 Stunden voraus zu sein. Im Referendariat war ich den Schülern maximal ne Woche voraus.
- Konzentriere dich auf die Unterrichtsbesuche. Das sind die wichtigen Stunden, die man ordentlich planen sollte. Den "normalen" Unterricht nie so akribisch planen wie man einen Unterrichtsbesuch plant.
- Irgendwas planen, bei dem die Schüler über längere Zeit hinweg selbstständig irgendwas machen: Plakatherstellung, Powerpointerstellung, usw. mit Internetrecherche oder so. Da musst dann für mehrere Wochen erstmal keine Einzelstunden planen.
- Vorsichtig sein, wenn Kollegen an der Schule Tipps für Unterrichtsbesuche geben. Die Kollegen sind verständlicherweise auf den normalen Alltagsunterricht fixiert, die man so in einem Unterrichtsbesuch nicht zeigen kann. Nur du kennst deine Seminarleiter.
- das man nach einem Unterrichtsbesuch hart kritisiert wird, kommt vor. Die Hinweise dazu ernst nehmen, aber nicht verrückt machen lassen.

sommerblüte
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Re: Zu große Defizite?

Beitrag von sommerblüte »

Ich muss jetzt nochmal fragen: bist du an einer Förderschule eingesetzt? Wenn ja, halte dich daran für eine Unterrichtsstunde: entweder eine neue Methode oder einen neuen Inhalt einführen, sonst sind die Schüler schnell überfordert. Versuche auch, nicht jede Stunde eine neue Methode auszuprobieren. Sonst gilt das Gleiche. ;) (Zumindest im FS Lernen)
Sowohl für Mathematik als auch für Sachunterricht lassen sich gut ganze Reihen planen, sprich wenn ihr ein neues Thema anfangt, schaust du, was der Lehrplan sagt, was alles dazu gehört und baust danach eine Reihe zusammen. Du guckst also, wieviele Stunden du dafür etwa Zeit hast in der Schule und strickst dir danach dein grobes Rahmenprogramm. Auch Unterrichtsbesuche kann man da evtl schon mit berücksichtigen, also Themen, die sich besonders zum Zeigen anbieten so in die Reihe einbauen, dass sie dann dran sind, wenn der Besuch kommt. Notfalls eine Reihe etwas kürzen und kurz vorm Besuch mit einer neuen anfangen. Das wurde uns im Ref auch gern so gesagt, denn zu Beginn einer Reihe haben die Schüler ja noch nicht soviel Vorwissen, auf das sie zurückgreifen können sollten, gerade im Sachunterricht.
Gerade so eine Reihenplanung dauert dann gern schonmal etwas, aber dafür hast du einen Fahrplan und auch etwas Luft, entsprechendes Material zu besorgen.
Vielleicht kannst du einen Teil der Unterrichtsvorbereitung auch in der Schule machen? Zum einen hast du dann deinen Mentor bei Fragen in der Nähe, du kannst das vorhandene Material auf Brauchbarkeit für die Reihe prüfen und du hast weniger Zeit zu hause, wo es ja anscheinend auch nicht so ganz rund läuft.

steve63
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Re: Zu große Defizite?

Beitrag von steve63 »

@lili215
hol dir für den Alltagsunterricht auf jeden Fall Material von "gestandenen" Kollegen.

Bei uns an der Förderschule beispielsweise sind Ordner im Umlauf, die irgendwelche Kollegen mal angelegt haben und die ständig ergänzt werden.
Da findest du schon mal ein Grundgerüst und musst nicht jede Stunde neu erfinden.

Der Austausch von Unterrichtsmaterialien ist "die!!!" Arbeitserleichterung schlechthin.
:mrgreen:
Ergänzen und anderes machen kann man es immer,
aber einfach auch mal ein Arbeitsblatt nur so übernehmen geht auch
und schadet keinem Schüler.

Man muss lernen diesen Perfektionismus auszuschalten.
Hin und wieder ist er hilfreich---für den Alltag reicht einfach auch eine pobelige "Alltagsstunde"



Wie viele Schulstunden musst du den eigentlich halten?

Sternenlicht
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Registriert: 06.04.2014, 11:06:32

Re: Zu große Defizite?

Beitrag von Sternenlicht »

Guck doch mal bei Lernbiene.de oder nikao.de
Da gibt es für Sachunterricht schöne Werkstatteinheiten!
Die kann man oft einfach so übernehmen oder ohne viel Aufwand verändern.

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